Kornmagazin-Herausgeber und Autor Uwe Lowin als Komparse im Tatort.

An der Verbreitungsgeschwindigkeit von Verschwörungsmythen lässt sich erahnen, wie tief die bundesdeutsche Gesellschaft von antisemitischem Wahn angetrieben wird. Antisemitismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen lebt durch „Corona Leugner_innen“ wieder auf.(*) Diese organisieren sich in Gruppierungen wie u.a. “Querdenken”. Längst ist ihre aktive Vernetzung mit der extremen Rechten nachgewiesen. Ein aktuelles Beispiel aus dem Ländlichen zeigt, wie diese rechtsextremen Ansichten in der bürgerlichen Mitte aktuell Fuß gefasst haben und sich weiterverbreiten.

Beim Kornmagazin aus dem Südharz handelt es sich um ein lokal und kostenlos verteiltes Anzeigen-Magazin mit redaktionellem Antlitz. Der nicht durch Anzeigen belegte Platz wird von Uwe Lowin redaktionell gefüllt. Uwe Lowin ist Verlagsleiter, Herausgeber und sein eigener Autor – in einer Person. In dieser Funktion informiert er über das Geschehen zumeist aus dem Südharz. Auch über seine Komparsen- und Sprecherrollen informiert er im Kornmagazin. So erfahren die Lesenden, wie sein Traum in Erfüllung ging, den Dorfpolizisten-Komparsen im Krimiformat Tatort „Die Rache an der Welt“ (NDR) zu spielen. Auch in Köln erhaschte er eine Nebenrolle: “Einsatz in Köln” -Kommissare ermitteln“ (Constantin Entertainment). Und er berichtet mit Schlagzeile, wenn ihm Rollen abgesagt worden sind: „Pech für Uwe Lowin“. Mit derlei Beiträgen wird seiner Broschüre beim Warten in der Zahnarztpraxis, im Friseursalon oder an der Schlachter-Theke eher kurzweilige Aufmerksamkeit zuteil.
Den Ruf als bedenkenlos zu verteilendes und unpolitisches Anzeigenblättchen dürfte Uwe Lowin jedoch mit der Mai-Juni-Juli-Ausgabe 2021 los sein: Bereits im “Vorwort des Herausgebers” wartet er mit Fakenews auf, mit denen die Corona-Pandemie relativiert wird. Nach dem Umblättern erfahren die Lesenden von seiner Fahrt zur Demonstration des „Querdenken“-Spektrums nach Kassel, gemeinsam mit seiner Frau und einem befreundeten Ehepaar. In die Schlagzeilen kam die sog. „Anti-Corona“-Demo in Kassel im März, weil dort aggressiv die gerichtlich bestätigten Auflagen der Stadt Kassel missachtet wurden. Den aktiven Verstoß gegen diese Auflagen vergleicht Uwe Lowin verniedlichend mit einer „Kirchentags-Stimmung“, die gewalttätigen Übergriffe auf Andersdenkende, Journalist_innen und Polizeibeamt_innen negiert er. Pauschal bezeichnet er, getreu dem Szene-Sprech, die Berichterstattung von und über die Demonstration als „mediale Hetzjagd“ und unterschlägt, dass belegterweise zahlreiche verfassungsfeindliche Rechtsextreme und Reichsbürger_innen an diesen Demonstrationen teilnehmen. So auch in Kassel, als diese als gleichberechtigte Teile des Demonstrationszuges auf diesem sog. “Kirchentag” ihre verfassungsfeindliche und menschenverachtende Ideologie verbreiten und die “Stimmung” anheizen durften. Lowins ausführlicher Bericht über die Gründungsversammlung der „Querdenker-Partei“ DIE BASIS in Göttingen passt sich hier ins Bild ein.
Es sind bisher lokale und regionale Werbekund_innen, die Lowin und sein Pamphlet mit großformatigen Anzeigen die finanzielle Basis sichern. Darunter der Energieversorger Harz Energie, das Wohnbauunternehmen Kreiswohnbau Osterode/Göttingen, die Sparkasse sowie zahlreiche ortsansässige kleinere Handwerksbetriebe, Dienstleister_innen, Fitness-Studios oder das Schwimmbad. Auch die „Pension Coesfeld“ bewirbt ihre „Heilsteine“ aus „Giesela’s Steinstübchen“.
 Unter dem Demobericht aus Kassel fällt eine redaktionell als „anonym“ bezeichnete großformatige Werbeanzeige (!) auf. Darin wird unverhohlen der rechte Hetz-Blog von Boris Reitschuster beworben – in rechtsextremen und verschwörungsideologischen Kreisen äußerst beliebt. Die Website des Handelsblattes bezeichnet Reitschuster darin als „rechtskonservativen Blog“. Auffällig auch, dass sich seine Diffamierungen oft an erfolgreiche Frauen* richten. So hat er beispielsweise Liane Bednarz (Publizistin und Juristin) oder Simone Rafael (Publizistin und Kunsthistorikerin) mit populistischen Unterstellungen überzogen. Reitschuster versteht sich darauf, Rechte als Linke und Linke als Rechte zu verkehren. Das scheint bei Uwe Lowin zu fruchten, der in seinem redaktionellen Beitrag über die Corona-Demo in Kassel Boris Reitschuster bereitwillig  zu Wort kommen lässt.
Kann das sein? Auf Demonstrationen und bei seinen Werbekund_innen „übersieht“ Uwe Lowin Antisemitismus und Rechtsextremismus. In seinem Kassel-Demo-Bericht gibt er Michael Meyen, Professor der Ludwig-Maximilians-Universität München, das letzte Wort: Meyen klagte u.a. gegen den Beschluss der Stadt München, der antisemitische Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) keine Räume mehr zur Verfügung zu stellen. In seinem Blog „Medienrealität“ (er ist hier Mitherausgeber) wird Ken Jebsen „als professioneller Journalist“ dargestellt. Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München  veröffentlichte zu Meyen einen Text mit dem Titel „Michael Meyen und das Antisemitismusproblem an der LMU München.“(**)
Über all das informiert Lowin seine Lesenden hingegen nicht.

 

Bericht über die sog. Anti-Corona-Demo in Kassel, März 2021
Bericht über die sog. Anti-Corona-Demo in Kassel, März 2021 inkl. Werbung für Boris Reitschuster.
Bericht über die Gründung der “Querdenken”-Partei “Die Basis” in Göttingen. „Margaretha Main“ (das von Gabriele Winkel genutzte Pseudonym) kandidiert für den Bundestag.
*)Zum Zusammenhang von Antisemitismus und Verschwörungsideologie folgende Leseempfehlung:
**) BgA München vom 12.03.2021, hier nachzulesen: