04. Mai 2024, im kleinen Museum des Vereins „Flugplatz Nohra“ steht eine Steintafel. Auf ihr geschrieben steht:

»In dieser Gemeinde haben die imperialistischen Machthaber 1933 das erste faschistische Konzentrationslager in Thüringen errichtet.«

Die Tafel der Mahnung wurde 1990 vom Gemeinderat Nohra, das zum Landkreis Weimar gehört, entfernt. An das erste Konzentrationslager in Deutschland erinnert am Ort des Verbrechens nichts mehr. —#baseballschlägerjahre

04. Mai 2024, i  den Satory Sälen Köln tritt die Thüringer Rechtsrock Band “Weimar” auf. Noch zu Jahresbeginn 2023 war die Band in den Top-Charts und unter Vertrag bei einer der größten Plattenfirmen: Universal. Doch Anfang Februar 2023 veröffentlichte der Spiegel eine Recherche zur Band “Weimar”, die den vorläufigen Höhenflug der Rechtsrocker einen Knick gab. Den hinter den vier Musikern, die bisher nur mit weiß-schwarzen Masken und falschen Namen auftraten, stecken Männer, die jahrelang in der rechtsextremen Musikszene Thüringens aktiv waren. Konstantin Panzer war in den Neunzigern Mitglied der Thüringer Neonazi-Band „Dragoner“, die in Liedtexten den Holocaust leugnete. Christian Pohlman gehöhrte zum „Nationalen Widerstand Weimar“, die dem verbotenen „Blood&Honour“-Netzwerk nahestand. Die Bandmitglieder waren durch die Spiegel-Recherche überführt, sie waren Fleisch vom Fleische der militanten Neo-Nazi Thüringens.

»Weimar, 1997, früher Abend. Ich cruise mit einem Freund auf meinem klapprigen Jugendrad durch die Fußgängerzone. Am Goetheplatz taucht plötzlich Gruppe
Skinheads auf, zieht mich vom Rad, prügelt, tritt auf mich ein, als ich schon am Boden liege. Höllenangst.« von Christan Fuchs — #baseballschlaegerjahre

Nach dem unfreiwilligen Outing der Neo-Nazi-Historie der Band “Weimar” durch den Spiegel, zieht die Band die „Aussteiger Karte“. In einem Statement erklärt die Band ihre Neo-Nazi-Aktivitäten für mehrere Jahre zurückliegend, man tue ja auch etwas Gutes und sammle Spenden für hilfsbedürftige Kinder und sei sowieso ganz „Anti-Extremistisch“ inzwischen.

Das die Bandmitglieder von Weimar scheinbar seit ein paar Jahren niemanden mehr ins Krankenhaus geschlagen haben, ist schön, aber das bedeutet noch keinen Ausstieg aus der Nazi-Szene und ist noch lange kein Beweis für eine Verabschiedung von der rechten Ideologie dahinter.
Wenn die Band sich ernsthaft rehabilitieren will, wäre der erste Schritt, den Betroffenen der Nazigewalt die Deutungshoheit über die Geschichte die Baseballschläger Jahre zu überlassen. Stattdessen inszeniert sie sich als Opfer, als könne sie nichts dafür, dass sie in den 1990er und Nuller-Jahren zu Nazis wurden. Dabei fällt untern Tisch, was sie sind: Täter, die sich dazu entschieden hatten, Nazis zu
sein.

Und wenn die Band “Weimar” glaubwürdig behaupten wollte, dass Sie sich jetzt gegen ihre alten Kamerad*innen wende, dann soll sie das auch tun. Dann soll sie erzählen, was sie über die Neo-Nazi-Netzwerke in Thüringen wissen. Dann sollen sie, wenn auf sogenannten Corona- oder Bauerndemos im Osten ihre Lieder gespielt werden und nachweißlich extreme rechte Akteur*innen entweder diese Demos organisieren oder auf diesen mitmarschieren, halt ihren Einspruch gegen die Nutzung ihrer Lieder formulieren.

Überraschung sie tun nichts von all dem, weil sie niemals wirklich aus dem Kosmos des Neo-Faschismus ausgestiegen sind.

Glaubwürdig als Aussteiger ist nur, wer sich seinen Weg zurück verbaut und Brücken abbrennt, wer nicht sagen kann »ich habe mich zwar abgewandt, aber euch nicht verraten«. Die Band “Weimar” schützt weiter Täter*innen und ihre Strukturen. So können diese ungestört weitermachen.

24.12.1999, der Gitarrist Sebastian Voigt, der Vorgänger-Band von Weimar “Dragoner”, ist beteiligt am Übergriff mit Gaspistolen auf Besucher*innen der besetzten Gerberstraße in Weimar. Antifaschist*innen dokumentieren die Gewalttat — #baseballschlägerjahre

Nach der Aufdeckung der Neonazi-Historie kündigte die Plattenfirma Universal den Vertrag, mehre Musikfesitvals cancelten Auftritte, und ein Jahr nach der Spiegel-Recherche, steht auf dem Tourplan 2024 der Band “Weimar” nur ein Termin: 04. Mai 2024, Sartory Säle Köln.

Der Betreiber der Sartory-Säle wusste vor Vertragsabschluss von der Spiegel-Recherche, er wusste um die abgesagten Bandauftritte bei den Festivals, doch die Sartory-Säle entschieden sich dafür, der Band “Weimar” eine Plattform zu bieten, ein Pseudo-Aussteiger-Posting der Band und ein Post auf einer Fan-Seite reichten den
Sartory-Sälen als Beleg für die angebliche Aussteiger-Story. Und sowieso jeder hätte ja auch mal eine zweite Chance verdient. Was die Sartory-Säle heute, hier tun, erinnert an die Praxis der Persilscheinvergabe, als nach 1945 eine Gesellschaft der Täter für sich die Stunde Null beschloss.
Die Redewendung „jemandem einen Persilschein ausstellen“ entstand nach dem Zweiten Weltkrieg während der sogenannten Entnazifizierungsphase. Nazi-Verbrecher, die ihre Unschuld nur mithilfe von fragwürdigen Zeugenaussagen beweisen konnten, bekamen den sogenannten Persilschein. Von den 8,5 Millionen NSDAP-Mitgliedern und den vielen Millionen weiterer Angehöriger von NS- Organisationen unter rund 70 Millionen Deutschen wurden am Ende gerade einmal 1,4 Prozent als „Hauptschuldige“ oder „Belastete“ vermerkt, der Rest, 98,6 % der Nazis, bekamen einen Persilschein und gingen mit angeblich „blütenweißer Weste“ über zur Zeit von Wirtschaftswundern und kollektiver Amnesie.

26. März 2024 Weimar: Ein Mann schmiert mit roter Farbe ein Hakenkreuz auf den
Theaterplatz — #baseballschlägerjahre

Die Band “Weimar” fordert für sich in ihren Statement das „Recht des Vergessens“ ein. Ihr Hass, ihre Verbreitung von Neo-Nazi-Ideologie, ihre Gewalt der Baseballschlägerjahre liege doch angeblich weit zurück, und – Zitat der Band “Weimar” – „würde die Gesellschaft, Menschen die sich ändern eine Chance geben, würden sich vielleicht auch mehr Menschen ändern.“

Der Historiker Lutz Niethammer bezeichnet die Persilscheinvergabe nach 1945 als „Mitläuferfabrik“. Die Millionen Nazis, sie alle galten nach der sogenannten Stunde Null als Mitläufer, als wären sie nicht am 09. November 1938 brandschatzen gewesen, als hätten sie nicht die Züge in die KZs, als hätten sie nicht den Krieg und die Shoa mitgetragen.
Und heute gibt die Band “Weimar” nicht jenen, die Linke, die Ausländer oder Schwule klatschen, die Schuld für ihre Taten. Nein, die Gesellschaft sei für rechten Terror vielmehr selbst verantwortlich, weil sie die den „armen“ Nazis keine zweite Chance gäbe.
Die Sehnsucht nach dem Vergessen, war, ist und bleibt: nichts weiter als die Verharmlosung des Neo-Nazi-Terrors!

In diesem Sinne:

Es gibt keine Persilschein für die Band “Weimar”!

Kein Vergeben, Kein Vergessen Täter haben Namen und Adressen!


Wir veröffentlichen die am 4. Mai 2024 vor den Sartory Sälen gehaltene Rede auf der Kundgebung “Keine Bühne für Nazis“ zu Dokumentationszwecken transkribiert.

Ein Audio-Mitschnitt wurde von Radio Nordpol gesendet und ist in der Mediathek abrufbar unter und kann hier nachgehört werden: Website Radio Nordpol (zuletzt gesichtet am 4. Mai 2024.