Recherche zu Master Spitter alias Sascha Helmut V.

Sascha V. – Öffentlicher Auftritt am 29.12.2019 in Köln, Appellhofplatz vor dem WDR

Im Rahmen der Rechtsextremen Proteste vor dem WDR trat zweifach der rappende Kleinkünstler und Verschwörungsideologe Sascha “Master Spitter” V. in Köln auf – am 29.12. [1] und wieder am 4.1. [2].

V. bagatellisierte auf der Kundgebung die Schoa und das Dritte Reich, als er dem Gegenprotest wörtlich entgegnet: “Ja, so ähnlich müssen sich damals auch die Juden gefühlt haben, als sie von den Nazis durch die Straßen gejagt worden sind.”[3]

V. kommt aus dem „Bereich Neuss“ und ist kein Unbekannter. So lädt er seine persönlichen Daten inklusive seines Reichtsbürger-Personalausweises frei verfügbar ins Netz hoch [4]. “Master Spitter, also Sascha, ist Teil der patriotischen Bewegung ‘Mönchengladbach steht auf e.V.’ und regelmäßig bei deren Aktionen sowie Stammtischen anzutreffen,” gibt Mönchengladbach steht auf e.V. am 16.01.2020 bekannt.[5] V. ist als Aktivist auch bei den bereits in Köln, Dortmund, Erfurt oder Mönchengladbach zur Schau gestellten Gelb-Westen. Er fühlt sich als „Experte“ für „Bioenergietherapie“ auch als Teil der sog. „Healing“-Bewegung [6].

Dass es sich bei V. nicht um einen hippieesquen Grauzonen-Aktivisten handelt belegt bereits seine zentrale Rolle vor dem Westdeutschen Rundfunk beim offenen Schulterschluss zwischen AfD und Nazis. In Köln dominierte V. das Geschehen der WDR-feindlichen Kundgebungen und Demonstrationen akustisch mit Soundanlage und Mikrofon. Gemeinsam mit seinen Kamerad_innen war V. hastig damit beschäftigt, den demokratischen Gegenprotest zum Schutz der Pressefreiheit als “faschistisch” zu delegitimieren, während er sich mit organisierten und gewalttätigen Neonazis wie Samy M. aus Köln oder dem rheinländischen Kevin Gabbe umgibt, die entweder durch Hitler-Grüße und Morddrohungen an Journalist_innen und auffallen.

Bei der Demonstration in Köln am 29. Dezember 2019 war sein Dank an die “Bruderschaft Deutschland” bezeichnend, welche Jagd auf Gegenprotestierende machte. Sascha V.: “Die Bruderschaft Deutschland [Applaus, Ruf im Hintergrund: “Deutsche Jungen”], man kann stolz sein, man kann stolz darauf sein, dass diese Leute das hier alles unterstützen.” Am 4. Januar 2020 sammelte V. Spenden, um “den Widerstand zu organisieren”. V. nahm auch in Düsseldorf am 17.11.2018 bei einer in Gewalt mündenden Demonstration von Patrioten NRW teil.[7] Im Verlauf der Demonstration wurde aus dem Umfeld Kölner Neonazis ein Messer auf die Polizei und Gegendemonstrierende geworfen.[8] Im Februar 2019 trat V. als “Lautsprecher” bei einer Nazidemonstration in Mönchengladbach von Dominik Roeseler (HoGeSa-Mitbegründer) auf. Im Zusammenhang der Recherchen von Korallenherz zu Gelb-Westen in Dortmund [9] ist eine Vernetzung zum Die Rechte Aktivisten Kevin Gabbe bekannt neben weiteren offen zur Schau gestellten neonazistischen Verbindungen. V. trat am 3. Oktober 2019 bei dem neonazistischen Aufmarsch “Tag der Nationen” in Berlin am Fronttransparent von “Wir für Deutschland” in Erscheindung.[10] Auf seiner “Künstlerseite” präsentiert V. ein mutmaßlich vom Identitären Kalligraphen “Wolf PMS” designtes Logo.[11]

Die rechtsextreme Kundgebung vom 4.1. wurde von Theo Gottschalk als das jüdische Feigenblatt des rechtsextremen AfD-Flügels auf dem Appellhofplatz angemeldeten. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus RIAS hat aufgrund der im Rahmen der Kundgebungen von V. verbreiteten Aussagen eine Stellungnahme via Twitter veröffentlicht. Kritisiert wird die Verharmlosung des Antisemitismus und der staatlichen antisemitischen Politik im Nationalsozialismus, die in der Schoa und damit der Ermordung von Millionen von Menschen gipfelte. Das RIAS-Statement veröffentlichen wir nachfolgend im Freitext. [12]

In aktuellen Debatten werden immer wieder Vergleiche zur antisemitischen Politik im Nationalsozialismus gezogen. Ob zu Tierrechten (“KZ-Hühner”), bei den lmpf-Gegner_innen, bei Protesten gegen eine Diesel-Steuer (“Judenstern” mit der Aufschrift “Dieselgegner”) beim Thema Beamt_innen-Kennzeichungspflicht/Datenschutz (“Armbinde mit gelbem Stern”) oder in der parlamentarischen Auseinandersetzung (Politiker im Leipziger Stadtparlament setzt den Umgang mit seiner Partei mit der historischen Judenverfolgung gleich). Die Urheber_innen versuchen so sich selbst als marginalisierte Gruppe zu inszenieren.

Die Verharmlosung des Antisemitismus und der staatlichen antisemitischen Politik im Nationalsozialismus, die in der Schoa und damit der Ermordung von Millionen von Menschen gipfelten, ist all diesen Vergleichen gemein.

Die fortwährenden Bagatellisierungen verändern auf Dauer die Grenzen des Sagbaren. Öffentliche Relativierungen aber auch NS-Vokabular halten zunehmend Einzug in die Mitte der Gesellschaft. Beispielsweise wird durch die Verwendung des Wortes “Judenstern ” nicht nur auf eine nationalsozialistische Markierungspraxis bezuggenommen, sondern auch die jüdische Geschichte auf die Schoa verengt.

Relativierungen dieser Art führen auch dazu, dass Jüdinnen_Juden nicht als Teil der Gesellschaft gesehen und ihre Wahrnehmungen unsichtbar gemacht werden. Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus verlangt nicht nur Solidarität mit Betroffenen, sondern auch eine ständige Reflektion der eigenen Sprache und der damit evozierten Ressentiments.“

Sascha V. mag sich optisch als alternativ darstellen und sich durch Schlabberhose, Gelb-Weste und Jamaica-Hütchen optisch von seinem Umfeld abgrenzen. Doch unter seiner Wollmütze weilt ein verschwörungsideologischer, antisemitischer und rechtsextremer Geist. Dies wird in seinen Reden und Äußerungen deutlich, die seicht daherkommen. Wohl auch deshalb hat sich V. zu einem gut vernetzten und bundesweit agierender Rechten aus NRW gemausert, der auf diversesten Demonstrationen und Kundgebungen auffällig im Vordergrund agiert.

Updates:

08.01.2020, 18:50 Uhr: Weitere Infos ergänzt um den Zusammenhang mit den Kölner und Düsseldorfer Kameradschaften sowie der Identitären Szene zu verdeutlichen.
20.04.2020, 14:45 Uhr: Erweiterungen um Mitwirkungen als Aktivist bei Mönchengladbach steht auf, Demoteilnahmen u.a. in Berlin am 3.10.2019 sowie Ergänzung um Fotodokumentation und Quellenverzeichnis.

Fotodokumentation

V. auf der Demonstration gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk am 04.01.2020 in Köln. Im Hintergrund: Theo Gottschalk (AfD-Mitglied und Teil der Juden in der AfD). Foto von Robert Rutkowski.
Screenshot. Der Reichsbürger-Ausweis von Sascha Helmut V. wurde im Internet im Blog Templerhofiben [3] veröffentlicht (abgerufen am 3012.2019).
Reichsbürgererklärung von Sascha V. aus 2016, dokumentiert bei Sonnenstaatland.
Mönchengladbach steht auf e.V. zählt Sascha V. zu den eigenen Aktivisten, Facebook am 16.01.2020.
Von Sascha V. via Facebook dokumentierte Teinahme an der Demonstration gegen den sog. Migrationspakt in Düsseldorf am 17.11.2018.
Sascha V. am Fronttransparent von “Wir für Deutschland” (links unten im Bild) bei der Demonstration “Tag der Nationen” am 3. Oktober 2019 in Berlin mit Fahne. Foto von Endstation Rechts/Flickr.
Sascha V. mit “Kriegszeit”-T-Shirt und Sprechanlage auf der Demonstration Tag der Nationen, 3.10.2019, Berlin. Foto von Endstation Rechts/Flickr.
Wolf PMS Schriftzug für Master Spitter, präsentiert auf der Facebook Homepage.

Weitere Fotobelege zu Sascha V. sind hier veröffentlicht worden: https://www.facebook.com/RABAkoeln/posts/575324456583484

Quellen:

[1] siehe Foto vom 29.12.2019 und die Twitter-Dokumentation unter dem Hashtag #k2912 (https://twitter.com/search?q=%23k2912)
[2] siehe Foto vom 04.01.2020 Twitter-Dokumentation unter dem Hashtag #k0401 (https://twitter.com/search?q=%23k0401).
[3]  Weitere Belege für Bagatellisierung des Dritten Reichs:

https://twitter.com/korallenherz/status/1218851692680286208

[4] Reichsbürger-Ausweis von Sascha Helmut V. abrufbar unter https://templerhofiben.blogspot.com/…/sascha-vossens-persoe… (zuletzt abgerufen am 30.12.2019, s. Fotodokumentation) und seine Reichsbürger-Erklärung, dokumentiert bei Sonnenstaatland (s. https://www.sonnenstaatland.com/2016/10/21/sascha-erklaert-was-reichsbuerger-sind/)
[5] Statement von Mönchengladbach steht auf e.V. vom 16.01.2020 (zuletzt abgerufen am 20.04.2020; s. auch Fotodokumentation)
[6] s. https://www.bio-therapie.com/sascha-vossen/ (zuletzt abgerufen am 30.12.2019)
[7] s. Fotobeleg vom 17.11.2018.
[8] s. Videodokumentation unter https://www.facebook.com/RABAkoeln/videos/424075488250725/
[9] s. Foto Robert Rutkowski: https://twitter.com/korallenherz/status/1213591833491714050)
[10] Sascha V. am Fronttransparent seiner Gruppe bei der Demonstration “Tag der Nationen” am 3. Oktober 2019 in Berlin: https://www.flickr.com/photos/97583384@N08/48838331462/in/album-72157711176720447/
[11] s. Fotobeleg vom 30.12.20019. Weitere Infos zu Wolf PMS u.a. hier: https://twitter.com/le_zeck/status/886511956693274624
[12] Das RIAS-Statement wurde als Bilddatei via Twitter erstveröffentlicht (https://twitter.com/Report_Antis…/status/1213518499517210625)

Nachträge:

Infoportal Düsseldorf zu Sascha V.:

Sascha V. zu Covid-19: https://twitter.com/klarmann/status/1264908916204417024

Sascha V. bei den Corona Leugner_innen: https://www.facebook.com/RABAkoeln/posts/678331972949398

Auftritt und Telegramm-Admin bei Corona Rebellen in Düsseldorf https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=2542922039293055&id=1529481577303778

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