Keiner von uns! Zum rechten Esoteriker, Sektierer und Pseudo-Feministen Ottmar Lattorf

Ottmar Lattorf taucht bei mehreren Querfront-Demonstrationen der Verschwörungsideolog_innen in Köln auf.

Ottmar Lattorf am 23. Mai 2020 auf einer “Hygiene”-Querfront-Demo in Köln, Deutzer Werft.

Die Gefährlichkeit einer Mischszene aus Verschwörungsaktivist_innen, Rechtsextremen, Realitätsverleugner_innen, Esoteriker_innen und vorgeblichen Wutbürger_innen verdeutlicht sich im Minutentakt in den bundesweiten “Hygiene-“Kundgebungen gegen die Coronaschutzmaßnahmen. Daher ein paar Hintergründe zur Person Lattorf als einer von vielen sich selbst zum Teil “politisch grüner, linker und extrem linker Kräfte” zählenden Figuren Kölns.[1]

Ottmar Lattorf ist ein seit knapp 40 Jahren in Köln-Zollstock ansässiger Aktivist. Er wird der esoterischen Szene zugerechnet und betreibt von seiner Wohnung aus die “Naturschutz-Initiative Natur, Bildung und Soziales, Bürger informieren Bürger e.V.” (NaBiS), die er als Ein-Mann-Verein, gelegentlich erweitert durch andere Esoteriker_innen, betreibt. Erst kürzlich machte der “Lebenskünstler, Hobbymusiker und Langzeit-Revolutionär”[2] Schlagzeilen. Die Bäume am Bonner Wall sollten vor dem Fällen gerettet werden, Menschen kletterten zum Schutz auf die Bäume und Lattorf ließ sich als “Sprecher einer Bürgerinitiative aus Raderberg” in den – wie er sie nennt – “Massen-Medien” zitieren.[3]

Zu Ottmar Lattorfs Werdegang, so wie er ihn in einem verschwörungsideologisch-esoterischen Magazin darstellte: Er sei “Sohn eines Hirten. […] Der 1960 erstgeborene Ottmar verbrachte, wie er es augenzwinkernd ausdrückt, Kindheit und Jugend in einem »Matriarchat«, bestehend aus sechs Schwestern, der Mutter und lauter weiblichen Tieren, bis zuletzt ein jüngerer Bruder geboren wurde. Der Vater, ein Improvisationskünstler, Komiker und „ausgezeichneter Geschichtenerzähler“, war wohl die Hälfte der Zeit auf der Weide […].”[4] Nach der Hauptschule habe Lattorf Abitur im dritten Anlauf gemacht und studierte schließlich in den 1980er Jahren Lehramt mit dem Schwerpunkt Sozialwissenschaften. Dieses Studium brach er ab. Danach begann er mit autodidaktischen Vorträgen „Lehre und Forschung auf eigene Faust“ über Wilhelm Reich, über “das Patriarchat“ sowie über „Hexenverfolgung”. Seine Vorträge bewarb er 1986[5] in dieser Weise: „’Die Welt war nicht immer so!’ Meine Frage war, warum ist die Welt, so, wie sie ist? Mein ganzes Leben lang habe ich mich auf diese Frage und alles damit Zusammenhängende konzentriert und kam zu einer Reihe von Antworten. Hier liegt nun ein Überblick über die Themen vor, über die ich berichten kann.“

Bereits Anfang der 1980er Jahre stilisierte sich Lattorf als linker Wilhelm Reich-Nachfolger. Er hielt zu ihm bundesweit Vorträge, wobei bereits seinerzeit die esoterischen und verschwörungsideologischen Instrumentalisierungen des freudomarxistischen Psychoanalytikers Reich überwogen. Auch pflegte Lattorf Beziehungen zu Bernd Willfried Senf (damals Volkswirtschaftler an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR)), dem antisemitische Zinskritik vorgeworfen wird und der sich, ebenso wie Lattorf, auf Reich bezieht.[6] Lattorf selbst referierte über Reichs parawissenschaftliche “Orgonforschung”[7] und publizierte in der Zeitschrift „emotion“.[8] Zehn Jahre lang konnte Lattorf an Senfs Wirkungsstätte, der Außenstelle der HWR, referieren.

Handout zur Veranstaltung mit der Fachschaft Medizin an der Universität zu Köln, 1993.

Als das Virus HIV weltweit bekannt wurde und große Ängste auslöste – 1981 wurde AIDS als eigenständige Erkrankung von der WHO anerkannt – leugnete Lattorf dessen damals noch häufig tödliche Dimension in seinen Texten, Vorträgen und Veranstaltungen, z.B. gemeinsam mit der Fachschaft der Medizin an der Universität zu Köln [9]. „Warum AIDS keine ansteckende Krankheit sein kann“, lautete sein Vortragstext. Diesen reicherte er bereits seinerzeit mit verschwörungsideologischen Welterklärungen über „die Medien“ an: „Über die Inszenierung von Realität durch die MassenMedien“ überschrieb er seine Vorträge; hier ist vom „manipulierte[n] Konsens“ und von „Denkkontrolle in einer demokratischen Gesellschaft“ die Rede. „Also nicht der Virus war die Gefahr für die Gesundheit, es waren „die Medien“.

AIDS, Vogelgrippe und Corona

Bei Fragen zu Themen wie der Vogelgrippe oder AIDS hat Lattorf krude Thesen in seinem Portfolio, z.B.: “Warum AIDS keine ansteckende Krankheit ist”[10]. Ohne auf die sich selbst gestellte Frage einzugehen und frei von Quellen oder Belegen, heißt es darin lapidar: “Doch das schulmedizinische Establishment und die Pharmazie ziehen es vor, jegliche Diskussion über die Ursachen von AIDS und über alternative Erklärungen zu vermeiden. (…) Tatsächlich werden Riesen-Profite mit einem medizinischen Irrtum und einer Angst–Kampagne gescheffelt.” Übrigens: Ein solches Argumentationsmuster verkürzter Kapitalismuskritik keimt derzeit wieder auf. Zu finden in Teilen von Linken, die sich dem Spektrum der Corona-Leugnung zugewandt haben und querfrontig neue Kooperationspartner_innen gegen „das Böse“ suchen.

Ottmar Lattorf, der keine medizinische Ausbildung durchlaufen hat [11], sagt: “Ich kann in manchen Fällen medizinische Beratungen durchführen oder zu einer solchen kostengünstig verhelfen.”[12]

9/11-Verschwörungsideologie

Wenige Jahre später weitete er seine Verschwörungsbeiträge und -vorträge auch auf den islamistischen Terroranschlag vom 09. September 2001 auf das New Yorker World Trade Center aus. Er trat nun als Anhänger von abstrusen 9/11-Verschwörungsideologien auf und organisierte beispielsweise in einer Kölner Kirche Vorträge mit dem ehemaligen SPD-Bundesminister für Forschung und Technologie Andreas von Bülow.[13] Nach dessen Ausscheiden aus dem Bundestag hatte sich dieser mit befremdlichen Vorträgen über Geheimdienste und über den islamistischen Terroranschlag hervorgetan. Das Feindbild waren bei beiden die USA. Lattorf war 2001 unter den Ersten, welche Verschwörungen zu 9/11 verschriftlichten. Das Neonazi-Fanzine aus dem Ruhrpott “Der Förderturm” zitierte damals Lattorfs krude Ansichten. 2002 war dort mutmaßlich eine Geldspende des NSU eingegangen.[13n] Die Absurdität von Lattorfs Unterstellungen zu 9/11 mit einer gleichzeitigen Verhöhnung von Frauen* wird deutlich in einer “Kosten-Nutzen-Abwägung”: [ACHTUNG, TRIGGERWARNUNG! ] “Warum hat man für die Untersuchung dieses Verbrechens weniger Geld ausgegeben (8 Mio. Dollar), als für die Untersuchung des Spermaflecks auf Monica Lewinskis Unterhose (40 Mio Dollar)?”[14]

Hexenverfolgung und Verharmlosung der Shoah

In einem seiner Vorträge zum Thema “Wer verfolgte die Hexen-Hebammen und warum? Oder Über den Einbruch der sexuellen Zwangsmoral in Europa” gibt Lattorf Tipps für “pflanzliche Verhütungsmittel”[15] und führt aus, dass die “Hexenverfolgung” als “Krieg gegen die Geschlechtslust der Frauen” geführt worden und diese ein “500 Jahre dauernder Holocaust an einheimischen Frauen” gewesen sei. Mit der Verwendung des Begriffs “Frauen-Holocaust” reiht sich Lattorf in die Riege jener Autor*innen ein, die seit den 1970er Jahren die Shoah an den Jüdinnen und Juden mit der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung vergleichen. Dort werden u.a. Überbietungswettbewerbe angestellt: die Opferanzahl und Dauer der Hexenverfolgung übertreffe bei weitem die der Shoah. Die Quellen und Zahlen, die dies belegen sollen, sind geschichtswissenschaftlich widerlegt und als falsch erwiesen. So wie Lattorf, der einen “Holocaust an einheimischen Frauen” und dessen “Auswirkungen  auf  das  Abendland und  unser  heutiges  Leben” herbeischwadroniert, geht er völkisch-ideologisch Hand in Hand mit der deutschen Autorin Erika Wisselinck, die in einer eigenen Studie von 1986 die Werke Hexenhammer mit Mein Kampf verglich und sich auf die rechtsextreme Esoterikerin Mathilde Ludendorff aus dem Jahr 1934 stützte.

Lattorf bewirbt seinen o.g. Vortrag (“erstmals 1991 gehalten”) mit der Ankündigung, er referiere über “Neuere und Disziplinübergreifende Forschungen”, die “zu einer sehr viel plausibleren Geschichtsauffassung” kämen als die “populären Geschichtsbücher”. Seine Wissenschaftsleugnung gipfelt schließlich in der Selbstüberschätzung, die vorgetragenen “tatsächlichen” Erkenntnisse seien “selbst vielen Historikern und Soziologen kaum bekannt.”[16]

Die an Rechtsextreme anschlussfähige Dimensionen seines Phantasierens und Agierens wurden bereits vor 35 Jahren gelegt. Über Lattorf heißt es: “Berührungsängste kennt er nicht”[17] und so überrascht es nicht, dass er auch Unterstützungen für die rassistische AfD-Hetzkampagne “Migrationspakt stoppen” [18] oder Zitate von FPÖ-Politiker Herbert Kickl[19] über seinen internen Verteiler verbreitet.

Antifeministisches, völkisches und rechtsextremes Konstrukt

Lattorfs Beschäftigung mit der Kulturgeschichte der Frauen und seine Kritik am Patriachat kommt als vermeintlicher Feminismus daher, entpuppt sich aber bei genauerer Betrachtung als biologistisch ausgerichtetes, völkisches, ethnopluralistisches und damit antifeministisches und rechtsextremes Konstrukt. Er stützt seine Ausführungen auf die Theorien Wilhelm Reichs, wie der Entdeckung des Orgon (Wortkreation aus Orgasmus und Organismus), kurz einer Theorie bestehend aus esoterischen Energievorstellungen und der Behauptung, würden sexuelle Triebe nur durch eine sexuelle Befreiung nicht mehr gesellschaftlichen Zwängen unterworfen sein, könnten alle Neurosen behoben werden. Diese von Reich entwickelte Theorie der  Triebbefreiung, dessen stetige und für ihn allein gültige Predigt dazu führte, dass er als Schüler von Sigmund Freud, von diesem verstoßen wurde und dies schließlich im Ausschluss 1934 aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPV) endete, hat mit heutigen linksradikalen feministischen Forderungen nichts mehr gemein. Wurde diese Theorie noch in der 68er-Bewegung genutzt, um die sexuelle Revolution voranzutreiben und „freie Liebe“ zu propagieren, sieht die feministische Theoretikerin Shulamith Firestone, bei Wikipedia als Protagonistin des feministischen Freudomarxismus (nach Wilhelm Reich) geführt, in der sexuellen Revolution „keine Verbesserung für Frauen“. Vielmehr habe sie sich als „wertvoll“ für Männer erwiesen, um sich ein „neues Reservoir an“ sexuell „verfügbaren Frauen“ zu schaffen.[20]

Lattorf geht neben diesen rein biologistisch ausgerichteten Ansätzen noch weiter. In seinen „Erkenntnissen“, die er immer wieder mit den Schlagworten “disziplinübergreifender Wissenschaften“ versucht zu bewahrheiten, mischt er munter, zumeist wissenschaftlich nicht haltbare Theorien und setzt kausale Zusammenhänge, zum Teil anachronistisch, wo keine sind. Ein Stilmittel, das alle Verschwörungsideologien ausmacht. So berichtet er „über eine anthropologische höchst interessante und  Disziplinübergreifende  Arbeit von Dr. James DeMeo“.[21] Der Geograph DeMeo versucht in eigenen empirischen Forschungen zu belegen, dass patriarchale Strukturen ursprünglich (4000 v.Chr.) aus Kulturen der Sahara, Naher/Mittlerer Osten und Zentralasien stammen und durch Wanderbewegungen die Regionen Ozeanien und die Neue Welt, angeblich bewohnt von matristischen, friedfertigen und partnerschaftlichen Kulturtypen, überlagert hätten.[22]

Lattorf sieht hier gemeinsam mit der Hexenverfolgung die historische Herleitung für die Unterdrückung der Frau. Er setzt aus einer “sexuellen Zwangsmoral in Europa”, „patriarchalen Eroberungen“ durch andere Kulturen und der Hexenverfolgung als „Holocaust an einheimischen Frauen“ ein Scheinbild seines Interesses für Frauenemanzipation zusammen. Unter Vorgaukeln derlei Interesses wurde pseudofeministisch bei den Alt-68er männlichdominant die sexuelle Revolution propagiert, wird rassistisch pseudofeministisch von der Identitären Bewegung, Pegida und der AfD nach der “Kölner Silvesternacht” 2015/16 eine Gefahr für deutsche Frauen durch Migration konstruiert, wird der Ethnopluralismus von der Neuen Rechte gefordert und Holocaustleugner_innen bedienen sich durch Verharmlosung und Relativierung der Shoah solcher Stilmittel.

Lattorf, die rechte Querfront und Corona

Lattorf beteiligt sich an der Mobilisierung zu Querfront-Demonstrationen von Corona-Leugner_innen und ruft aktiv zur Teilnahme per E-Mail-Verteiler auf. Dieses Umfeld aus Verschwörungsideolog_innen, Impf-Gegner_innen und Antisemit_innen entspricht ihm. In seinem Aufruf zur Demo verlinkt er auf YouTube-“Eindrücke” von der extrem rechten Aktivistin Lisa “Licentia” H., (Ex-Identitäre Bewegung, extrem rechte Vloggerin und Aktivistin, Teilnehmerin vom AfD-Medienkongress u.a. mit Ulrike Haupt/Widerstand steigt auf), die sich den Anschein einer rechten “Feministin” gibt. Lattorf spricht von einem angeblich stattgefundenen Angriff auf sie, versehen mit der Behauptung, dass sie Journalistin sei, und übernimmt auch noch die rechte Propaganda von einem “der Antifa” zugeschriebenen Angriff.[23] Dagegen “weiß” Ottmar Lattorf über die belegten Hetzjagden[24] Chemnitzer Neonazis folgendes zu berichten: “So kommt es, dass die Massenmedien von ‘Hetzjagden auf Menschen mit Migrationshintergrund’ durch den rechten, sächsischen Mob berichten, – ohne zu ergründen, ob das überhaupt stimmt! Es gibt keine Belege dafür. (…) Als ein linksradikaler Mob in Hamburg beim den G20 Demonstrationen in Hamburg durch die Straßen zogen, gab es solche Äußerungen von Seiten der Bundesregierung nicht.”[25]

Lattorf selbst legte sich bereits kurz nach dem Ausbruch des COVID-19-Virus in der chinesischen Provinz Wuhan fest und wollte von einer “Pseudo-Virus Epidemie” wissen. “Um zu einem Verständnis der wahrscheinlichen [!] Sachlage (Tests, Infektiosität, Epidemie, u.s.w.) im Zusammenhang mit dem Corona Virus zu kommen, gehe ich in die Anfänge der sog. AIDS – Epidemie zurück. … Und genauso wenig, wie die homosexuellen Poppers-Süchtigen der frühen Achziger Jahre keinen Bock darauf hatten, wegen der üblen Nebenwirkungen von ihren Sex-Drogen abzulassen, genauso möchte die Chinesische Führung die toxischen Nebenwirkungen des wirtschaftlichen Erfolgs für den Gesundheitszustand der Bevölkerung wahrnehmen und auch eher vor der eigenen Bevölkerung tarnen. Das ist meine zentrale These.”[26] Durch seine Gleichsetzung zwischen „triebgesteuerten“ Homosexuellen und der “raffsüchtigen” Wirtschaftselite bringt Lattorf Homophobie und Antisemitismus zusammen. Um von den negativen Auswirkungen der “boomenden chinesischen Wirtschaft” für die Bevölkerung abzulenken würde nach “US-amerikanischen Public-Relation-Muster [etwas] verschleiert”.[27] Er verlinkt antisemitische und verschwörungsideologische Internetmedien, darunter “Rubikon”[28], das Portal “Neue Rheinische Zeitung”[29] oder ein Video mit dem Corona-Leugner Sucharit Bhakdi[30].

Mahnwachen für den Frieden und Johanne Liesegang

Lattorf und Johanne Liesegang bei den gemeinsamen “Mahnwachen für den Frieden” am Wallfrafplatz in Köln, 2014.

Im Rahmen der Kundgebungen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen taucht auch Johanne Liesegang auf, die nach eigenen Aussagen bereits seit den 1990er Jahren an Lattorfs “Vollmondfeuer-Festen” teilnimmt. Sie ist als Kölner Kontaktadresse einer Reichsbürgerformation keine Unbekannte, gilt als Seherin, Esoterikerin und offene Antisemitin.[31] Liesegang und Lattorf verbindet auch eine langjährige politische Zusammenarbeit. Im Rahmen von “Wir für den Frieden” waren Liesegang und Lattorf an der Austragung der Kölner “Mahnwachen für den Frieden” um 2014/15 beteiligt.[32] Dort vertrat Lattorf die Reichsbürger_innen-These, wonach Deutschland kein souveräner Staat sei, da es nicht von den USA als Bedrohung angesehen werde.[33] Die Nachfolgeinitiative der Mahnwachen formierte sich unter der Leitung Liesegangs unter dem Namen „Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas“ („EnDgAmE“), in Dresden brachte die sog. Friedensquerfront die „Patriotischen Europäer gegen die Amerikanisierung des Abendlandes“ („Pegada“) hervor – beides ideologische und organisatorische Vorläufer von PEGIDA.[34]

In unverantwortlicher Art und Weise fördert Lattorf gefährliche Verschwörungsideologien, die von den realen Infektionsrisiken mit teilweise schwerem bis tödlichem Verlauf ablenken. Lattorf, der keine Gelegenheit auslässt, “Massen-Medien”[35] für angebliche Verfehlungen zu kritisieren, nimmt es dabei selbst mit der Wahrheit, Fakten und seriösen Quellen nicht so genau. Seine Arbeitsweise wird selbst von Vertreter_innen der parawissenschaftlichen “Orgonforschung” wie Ingo Diedrich kritisch gesehen: “Alle Beispiele, die Ottmar Lattorf anführt, sind stark interpretationsbedürftig (…). Diese Beispiele zu zitieren, ohne gleichzeitig den Kontext darzustellen, in dem die Autoren dies Beispiel angeführt haben, heißt, sie aus dem Zusammenhang zu reißen.”[36]

 

Insgesamt wird deutlich, dass Lattorf als urbaner, altgedienter natur- und erdverbundener Öko-Aktivist und Guru aus dem linken Spektrum erscheint, der jedoch eine Querfront-Strategie verfolgt. Als Querfront im weiteren Sinn wird die Zusammenarbeit oder Vermischung linker und rechter Positionen bezeichnet, mit welcher die Zustimmung zu anti-emanzipatorischen Positionen vergrößert und rechten Positionen in linken Zusammenhängen Geltung verschafft werden soll. Diese Intention lässt sich bei Lattorf bis in die 1980er Jahre zurückverfolgen. Dem linken Milieu entsprungen, setzt Lattorf auch auf die aktive Zusammenarbeit mit der extremen Rechten und agitiert mittlerweile offen gegen den Antifaschismus. Ottmar Lattorf befindet sich auch in ideologischen Hinsicht äußerst rechts: Lattorf erklärt jedwede gesellschaftlichen Probleme und komplexe Zusammenhänge entweder mit “Massen-Medien” oder dem vermeintlichen Hauptschuldigen USA (in einigen Texten und Vorträgen benennt er auch Israel). Menschen sind bei ihm eine stets willenlose, gesteuerte und verblendete Masse, aus welcher er sich selbst als eine der wenigen positiven Ausnahmen hervorhebt. Dies spiegelt sich besonders in seinem patriarchialen Frauen*bild wider, das auf männliche Zweckerfüllung reduziert ist.

“[Ottmar Lattorf] leugnet u.a. AIDS – HIV mit einer kruden Weltverschwörungskonstruktion, verbreitet diese und andere Verschwörungstheorien, versteckt sich hinter diversen Vereinsbezeichnungen (u.a. “NaBiS”), verklärt das Patriarchat zum Matriarchat, romantisiert antizivilisatorische Technologiefeindlichkeit, predigt ewige “Liebe und Frieden” und treibt damit Menschen in die Fänge von Sekten, stellt die “Kultur” des “Rainbow” (ein obskures “Gathering”) über alles und ist bekennender platter Antiamerikanist – Antizionist – Antisemit”[37] und Pseudo-Feminist.

In Köln findet anlässlich der Corona-Volksfront zusammen, was ideologisch schon seit Jahrzehnten zusammengehört.

Auch wenn mit ihm in Kontakt stehende Personen und Gruppen vielleicht nur als “verschroben” wahrnehmen, führt dies bis heute zu keiner Auseinandersetzung mit seinen bekannten Aktivitäten und Äußerungen. Bisher stand für Lattorf bspw. in der Alten Feuerwache die Tür offen und bei Stadtteilfesten durfte er sich mit Ständen präsentieren und seine Pamphlete verteilen oder auf städtischen Veranstaltungen Reden schwingen.

Die Willkommenskultur gegenüber Ottmar Lattorf und seinem Umfeld von Seiten der linken Szene und zivilgesellschaftlicher Akteur_innen in Köln, wie sie bisher gepflegt worden ist, macht einen blinden Fleck im Umgang mit Rechtsextremismus sichtbar. Dieser konnte in einer linken Kultur auch deshalb gedeihen, weil über Jahrzehnte verschlafen worden ist, sich mit den vielfältigen Erscheinungsformen sowohl des Antisemitismus als auch des (linken) Mackertums mit heteronormativen Verhältnissen auseinander zu setzen.

 

Und jetzt?

Mit dieser Aufklärung über Ottmar Lattorf ist es nicht getan. Darum fordern wir

  • Weitergabe der Informationen über Lattorf, seine Positionen und sein Umfeld auch über linke Zusammenhänge hinaus in zivilgesellschaftliche Strukturen und den öffentlichen Raum!
  • Deutliche Abgrenzung und Aufkündigung jeglicher Zusammenarbeit mit Lattorf und Umfeld!
  • Offenlegung der Strukturen und Projekte, die mit Lattorf zusammenarbeiten oder zusammengearbeitet haben im Rahmen öffentlicher Distanzierungen!
  • Interne Auseinandersetzung mit dem Problem jeglicher Formen des Antisemitismus und der Notwendigkeit von feministischen Forderungen, nicht nur in linken Strukturen!
  • Haus- und Zutrittsverbote für Ottmar Lattorf an allen Kultureinrichtungen sowie Orten der Politik und Selbstverwaltung wie z.B. Alte Feuerwache, Ökoprojekte, Kirchen etc.!
  • Kündigung der städtischen Verträge mit Ottmar Lattorf und seinem Verein (z.B. Nutzungs- und Pachtverträge) beruhend auf der Charta der Stadt Köln für Vielfalt und Toleranz sowie den Ratsbeschluss gegen Rechtsextremismus der Stadt Köln!
  • Auftritts- und Sprechverbot auf städtischen Veranstaltungen und Podien z.B. als Funktionsträger seines Vereins und für Bürger_inneninitiativen!
  • Ausschluss von Demonstrationen und Kundgebungen sowie E-Mail-Verteilern einschließlich der Deaktivierung seiner Zugänge zu bestehenden Kommunikationsstrukturen (E-Mail, Blogs, Foren etc.)!
  • Ausschluss aus Bürgerinitiativen und BI-Netzwerken!
  • Abwahl von Ottmar Lattorf aus Ämtern/Funktionen, die er z.B. in Vereinen, Netzwerken oder öffentlichen Gremien ausübt!
  • Verhinderung der Neuinstallation der antisemitischen Kölner Klagemauer durch Lattorfs Weggefährtin Johanne Liesegang!
  • Breiter Protest gegen die sog. “Hygiene”-Mediationen, Corona-“Spaziergänge” und andere Aktionen der Corona-Querfront als Sammelbecken des Rechtsextremismus mit allen Mitteln und auf allen Ebenen!
  • Einrichtung von konkreten Hilfsangeboten für Betroffene aus dem sektenartigen Umfeld Ottmar Lattorfs, bspw. Menschen die aufgrund seiner medizinischen “Beratungen” geschädigt wurden, Opfer seiner Manipulationen!
  • Klare Haltung gegen jeden Antisemitismus!
  • Klare Haltung für (Queer-)Feminismus!

 

Fußnoten:

[1] “Was? – Migrations-Pakt! Was soll der Migrations-Pakt?” von Ottmar Lattorf, E-Mail vom 08.12.2018, E-Mail (liegt d. Verf. vor)

[2] Vgl. “Forschung und Lehre auf eigene Faust – Ein Portrait des Kölner Baum- und Bürgeraktivisten Ottmar Lattorf” von Jochen Schilk, QYA Blog [QYA], 16/2012 (https://oya-online.de/article/read/783-forschung_und_lehre_auf_eigene_faust.html, abgerufen am 27.05.2020)

[3] Vgl. “Stadtbahnbau Neues Konzept soll möglichst viele Bäume auf Bonner Straße erhalten” von Philipp Haaser, Kölner Stadt-Anzeiger, 05.10.2017 (https://www.ksta.de/koeln/rodenkirchen/stadtbahnbau-neues-konzept-soll-moeglichst-viele-baeume-auf-bonner-strasse-erhalten-28524674, abgerufen am 31.05.2020); “Aus der Baum” von Jan Lüke, Stadt Revue, 17.11.2017 (https://www.stadtrevue.de/archiv/artikelarchiv/13032-aus-der-baum/, abgerufen am 31.05.2020)

[4] QYA, ebd.

[5] “Die Welt war nicht immer so” von Ottmar Lattorf, Eigenverlag [DWWNIS], als PDF veröffentlicht auf Lattorffs Homepage (abgerufen am 27.05.2020)

[6] Senf trat u.a. auch bei “Mahnwachen für den Frieden” auf, siehe dazu Friedensdemo Watch über Senf am 23. Juni 2016 https://www.facebook.com/friedensdemowatch/photos/prof-bernd-senf-spricht-am-am-306-auf-der-wahnmache-greifswald-die-wahnwichtel-h/681245688596357/ oder Alternative Liste VG  https://www.al-vg.eu/2014/06/die-ich-rief-die-geister.html vom 17. Juni 2014

[7] Für einen Überblick zur.Orgonforschung, s. https://de.wikipedia.org/wiki/Orgon (abgerufen am 29.05.2020)

[8] U.a. “Wer verfolgte die Hexen-Hebammen? Und warum ? oder Wie die sexualfeindliche Moral in Europa etabliert wurde”, Ottmar Lattorf in: Volker Lubminer (Hrsg.), ’emotion’ –  Beiträge zum Werk von Wilhelm Reich, Knapp Diederichs, Nr. 12/13, 1997. Darin bedient Lattorf u.a. Antisemitismus: “Der Sabbat war der heilige Tag der Juden, an dem nichts erlaubt war, kein Handel, keine Arbeit, nur (!) eins war an diesem Tag erlaubt: der Geschlechtsverkehr.” (Hervorhebungen d. Verf.).

[9] Handout zur Veranstaltungsreihe der Fachschaft der Medizin an der Universität Köln in Zusammenarbeit mit Ottmar Lattorf zum Thema “AIDS” [Handout AIDS 1993] an Kölner Universität, 1993

[10] DWWNIS, S. 16

[11] Handout AIDS 1993

[12] DWWNIS, S. 27

[13] Zur Person Andreas von Bülow: https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_von_Bülow

[13n] Der Förderturm, Nr. 5/2003, S. 15. Es gibt keine Hinweise, dass Lattorf Teil der Redaktion war.

[14] DWWNIS, S. 18, (Fehler im Original)

[15] DWWNIS, alle Zitate ab S. 10 f.

[16] DWWNIS, S. 10

[17] QYA, ebd.

[18] “Was? – Migrations-Pakt! Was soll der Migrations-Pakt?” von Ottmar Lattorf, E-Mail vom 08.12.2018, E-Mail (liegt d. Verf. vor)

[19] “Corona – Redekreis am Samstag” von Ottmar Lattorf, E-Mail vom 23.04.2020, E-Mail (liegt d. Verf. vor)

[20] Postfeminism” von Stephanie Genz, Edinburgh University Press, Edinburgh 2009, S. 95: “Firestone argued that the sexual revolution ‚brought no improvements for women‘ but proved to have ‚great value‘ for men […] a new reservoir of available females was created […].”

[21] DWWNIS, S. 10

[22]Saharasia: The 4000 BCE Origins of Child Abuse, Sex-Repression, Warfare and Social Violence in the Deserts of the Old World. The Revolutionary Discovery of a Geographic Basis to Human Behaviorvon James DeMeo, Natural Energy Works 2011.

[23] “Corona, Infos und Demos” von Ottmar Lattorf, E-Mail vom 22.05.2020 (liegt d. Verf. vor)

[24] “Chatprotokolle zeigen Verabredung zu Hetzjagden in Chemnitz” von Lena Kampf, Sebastian Pittelkow und Katja Riedel, 26.08.2018 (https://www.sueddeutsche.de/politik/chemnitz-rechtsextremismus-hetzjagden-maassen-1.4577009, abgerufen am 01.06.2020)

[25] “Chemnitz – eine Gesellschaft ist durcheinander” von Ottmar Lattorf, E-Mail vom 09.09.2018, E-Mail (liegt d. Verf. vor; Fehler im Original)

[26] “Was ist los mit dem Corona Virus in China? Vom AIDS -Virus, zur Vogelgrippe, zu SARS, über BSE und wieder zurück. – Eine Vermutung von Ottmar Lattorf”, Köln Insight / lebeART, 21.02.2020 (http://www.koeln-insight.tv/index.php/soziales-leben/blickwinkel/72-artikel/kolumne-und-fiktion/21182-was-ist-los-mit-dem-corona-virus-in-china.html, abgerufen am 28.05.2020, Fehler im Original)

[27] Köln Insight / lebeART, ebd.

[28] “EU – Wahl, was gibt´s zu wählen?” von Ottmar Lattorf, E-Mail vom 24.0.2019 (liegt d. Verf. vor)

[29] Ebd.

[30] Für Hintergründe zu Sucharit Bhakdi hierzu vgl. “Video im Faktencheck: Prof. Sucharit Bhakdi kritisiert Corona-Maßnahmen” von Kira Urschinger, SWR, 22.05.2020 (https://www.swr3.de/aktuell/multimedia/bhakdi-video-faktencheck-massnahmen-corona-100.html, abgerufen am 31.05.2020)

[31] Recherchen und Informationen zu Johanne Liesegang von RABA, u.a. https://www.facebook.com/RABAkoeln/posts/671248096991119, https://www.facebook.com/RABAkoeln/posts/668539990595263, https://www.facebook.com/RABAkoeln/posts/665626450886617, https://raba.noblogs.org/post/2020/05/20/redebeitrag-vom-18-mai-2020-zu-johanne-liesegang-und-ihren-versuch-eine-klagemauer-zu-installieren/, https://raba.noblogs.org/post/2020/05/26/redebeitrag-zur-kundgebung-keine-klagemauer-gegen-jeden-antisemitismus-vom-25-mai-2020/

[32] Reden hielt Lattorf u.a. am 19.05.2014, 24.11.2014, 22.12.2014, 27.07.2015

[33] Rede Ottmar Lattorf für “Wir für den Frieden” auf der Mahnwache in Köln am 27.07.2015, dokumentiert auf YouTube (watch ID “v=mgLCOMAxvtk”)

[34] Vgl. “Mehr Abkürzungen für wirre Demokratiefeinde EnDgAmE und Pegada” von Milla Frühling, Belltower, 21.01.2015 (https://www.belltower.news/mehr-abkuerzungen-fuer-wirre-demokratiefeinde-endgame-und-pegada-38818/, abgerufen am 31.05.2020)

[35] Der Begriff “Massen-Medien” wird in der sog. Neuen Rechten ersetzt durch “Mainstream-Medien”.

[36] “Kritik an den Aufsatz zur Hexenverfolgung von Ottmar Lattorf”, undatiert, Ingo Diedrich, Bovenden (http://www.orgonomische-sozialforschung.de/Sonst_Hexe.htm#Kritik, abgerufen am 31.05.2020)

[37] Kommentar von “Scheisz aufs Südstadel” vom 13.10.2009 unter dem Beitrag “Köln: Randale, u,a,e”, Pink dug, Indymedia, 17.09.2009 (https://de.indymedia.org/2009/09/261166.shtml?c=on#c603052, abgerufen am 31.05.2020)

 

Nachtrag vom 02.06.2020:

Ein Hinweis zur Zitierung Lattorfs 9/11-Verschwörungsideologie in einem Neonazi-Fanzine wurde nachträglich eingetragen.

 

Weitere Veröffentlichungen zu Lattorf: https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=740371186745476&id=257268208389112