[Offener Brief] Nicht nur Höcke! Rechte Terrordrohung auf die Agenda setzen und strafrechtlich verfolgen!

Sehr geehrte Damen und Herren,

„Wir werden sie töten müssen“ forderte der AfD-Politiker Gunnar Witzmann am vergangenen Sonntag, den 22. Dezember 2019, über seine Social-Media-Kanäle Facebook und Twitter[1]. Witzmann reagierte damit auf die von der Polizei herausgegebene und auch über Sie verbreitete Falschmeldung zum Breitscheidplatz, die Muslime in die Nähe von Terrorismus gerückt hat.

Ich bin entsetzt darüber, dass die Polizeimeldung (wie so oft) medial verbreitet wurde, nicht aber die reaktionären Aussagen Witzmanns. Hierüber findet sich in Ihrer Nachberichterstattung kein Wort! Die rassistischen Verdächtigungen von Unschuldigen durch die Polizei mögen sich erledigt haben, der Aufruf, Muslime zu töten, ist jedoch in die Welt gesetzt und bleibt. Es ist eine Frage der Zeit, bis sich wieder rechte Terrorist_innen davon ermutigt fühlen, zur nächsten Tat zu schreiten.

Das Jahr 2019 hat meiner Meinung nach vor allem dreierlei gezeigt: Der Terrorismus in Deutschland ist neonazistisch und rechtsextrem real existierend. Die Polizei ist keine politisch neutrale_r Akteur_in und selbst zum Teil des Problems geworden. Die Politik der AfD ist mörderisch und hierbei spielt die Rhetorik von Politiker_innen, wie Gunnar Witzmann einer ist, eine zentrale Rolle. Er ermutigt, wie viele andere Kammerad_innen, potentielle Amokläufer_innen und Terrorist_innen zu Mord und Totschlag. Dieser Umstand findet in der Berichterstattung nicht ausgewogen und meist erst dann statt, wenn Synagogen bereits unter Beschuss stehen oder Politiker__innen angegriffen oder ermordet worden sind. Dagegen ist eine Polizeimeldung über angeblich zu schnell auf öffentliche Orte zu gehende „Muslime“ rasend schnell im undifferenzierten Sing-Sang des Polizeisprechs verbreitet. Dadurch wird das rassistische, rechtsextreme und neonazistische Meinungsklima medial bedient.

Witzmann artikuliert seine offensichtlich zu tiefst reaktionären Auffassungen über politische Gewalt nicht zum ersten Mal: “Jetzt gibt’s auf die Fresse…” drohte Witzmann bereits beim “Bürgerdialog” der AfD im Kölner Rautenstrauch-Jost-Museum. Augenzeugenberichten zu Folge fiel die Aussage, als Polizeikräfte aufgrund von Protesten im Saal anrückten (Dezember 2018).[2] Im Bundestagswahlkampf erlangte der AfD-Politiker bereits Bekanntheit, als er einen angeblichen Mordanschlag auf sich verbreitete.[3]

RABA am 26.12.2019
Der Offene Brief online auch in unserem Blog https://raba.noblogs.org/post/2019/12/26/offener-brief-nicht-nur-hocke-rechte-terrordrohung-auf-die-agenda-setzen-und-strafrechtlich-verfolgen/


[1] Äusserungen Witzmann im Webarchiv: http://archive.is/OxoUe
Original-Post bei Facebook*: https://m.facebook.com/gunnar.witzmann/posts/10157736709639787

Twitter*:
https://twitter.com/AfDKandidat/status/1208492914575327236

*)möglicherweise mit Ländersperre versehen, gesperrt oder gelöscht:
[2] hier dokumentiert http://www.keinveedelfuerrassismus.de/niemand-will-die-afd-hoeren/)
[3] siehe https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/nrw-afd-kandidat-witzmann-die-maer-vom-anschlag/)

Das für den Blogbeitrag verwendete Hintergrundfoto zeigt das Mahnmal des Mordanschlags von Solingen am 29. Mai 1993.

FRIEDE, FREUDE, EIERKUCHEN? – Keine CSD-Parade für Deutschland!

Wir rufen die Teilnehmenden des Cologne Pride 2020 anlässlich des Christopher-Street-Days (CSD) in Köln dazu auf, sich nicht hinter das nationalistische Motto “Einigkeit! Recht! Freiheit!” zu stellen!

Die tatsächlichen Lebensbedingungen haben sich für queere Menschen in den letzten Jahren nicht zum Besseren gewandelt. Das Bundesinnenministerium musste kürzlich die massive Zunahme von Gewalt gegenüber queeren Menschen eingestehen. Alleine in Berlin wurden 261 Übergriffe in 9 Monaten registriert. Die große Mehrheit von 81 Prozent schildert die Benachteiligung von homo- und bisexuellen Personen.[1] Tagtägliche Anfeindungen und Ausgrenzungen auf Schulhöfen, an Arbeitsplätzen oder in der Nachbarschaft sind deutscher Alltag für queere Menschen. Wenn bei nationalen Ereignissen zur Hymne mit den Zeilen “Einigkeit und Recht und Freiheit” angesetzt wird, fühlen sie sich geradezu verhöhnt.

Der bundesdeutsche Staat nutzt die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht, um die Gleichstellung aller seinem Gewaltmonopol unterworfenen Menschen durchzusetzen. Insofern ist die Entscheidung, den ColognePride unter dem Motto “Einigkeit! Recht! Freiheit!” in eine Parade für ein solches Deutschland zu verwandeln, ein offener Affront für viele queere und andere marginalisierte Menschengruppen hierzulande: nicht-weiße, papierlose, arme und disabled Menschen.

Queeres Leben braucht kein Deutschland!

Die Kölner CSD-Parade als größte Deutschlands bildet einen Querschnitt der Gesellschaft ab. Darin sind Antisemitismus oder Rassismus verwurzelt und genauso kommen hier verschiedene Ansätze des deutschen Nationalismus zusammen – vom völkischem Nationalismus der AfD über den Jubel-Patriotismus bis zu linken Formen. Dass vom Kölner CSD keine Gesellschaftskritik zu erwarten ist, zeigte bereits das Motto “Stolz bewegt” aus 2010.[2] Die extreme Rechte verstand das Spiel mit dem “Stolz” offenbar als Einladung und wollte nun auch beim Pride mitmarschieren. Der ProKöln-Wagen rollte zwar wegen eines formellen Behelfs der CSD-Organisation nicht, doch zettelte das rechtsextreme Manöver 2013 eine rassistische Debatte um “muslimische” Homophobie an und machte der queeren Community ihre Uneinigkeit bewusst.[3]

Die Regenbogenfahne ist nicht ohne Grund keine Nationalflagge.

Die CSD-Veranstaltenden beziehen sich unkritisch und selbstvergessen auf die bundesrepublikanische Rechtsordnung, die Nationalhymne und andere nationalistische Symbole. Die deutsche Nation stellen sie als blütenweißes Papier dar, das sich beliebig beschreiben ließe. Dabei ist Deutschland keine unbestimmte Begriffshülse, die für jede und jeden ein Scheibchen nationaler Identität bereithält. Dies belegt ja gerade die Notwendigkeit einer Demonstration von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern, Intersexuellen und nichtbinären Menschen, die für ihre Rechte, Anerkennung und Akzeptanz auf die Straße gehen müssen. Nationalstaaten sind den Menschen gegenüber immer gewaltförmig, wenn sich auch die jeweiligen Ausformungen deutlich unterscheiden mögen. Die Identifikation mit der vermeintlich “eigenen” Nation bedarf stets der Abgrenzung zu »Anderen« – Diskriminierung und Unterdrückung sind darin bereits angelegt.[4] Die Erinnerung an den Christopher-Street-Day markiert einen historischen Wendepunkt in der Unterdrückung von Menschen aufgrund ihrer Sexualität oder geschlechtlichen Identität. In einem New Yorker Stadtteil wurde sich aus dem Szene-Treff “Stonewall” heraus erstmals und kollektiv gegen die queerfeindliche Polizeigewalt und die heteronormativen Zustände aufgelehnt.

Der Stonewall-Aufstand entfaltete eine globale Strahlkraft und ermutigt bis heute queere Menschen auf der Welt, sich für die Durchsetzung ihrer Rechte einzusetzen und die Anerkennung ihrer Geschlechteridentität einzufordern – aus gutem Grund vertrauen sie dabei weder auf den Staat noch auf die Nation.[5] Wer dem Nationalismus und dem Populismus wirklich entgegenwirken will, sollte vielmehr universale und kosmopolitische Lebensmodelle gegen die Nationalist_innen verteidigen. Es geht schließlich um nicht weniger als eine Antwort auf die soziale Frage, ob und wie wir zukünftig gemeinsam und miteinander leben wollen.

 

Rheinisches Antifaschistisches Bündnis gegen Antisemitismus – RABA

Köln, 06. Dezember 2019

 

Der Aufruf ist auch via Facebook: https://www.facebook.com/257268208389112/posts/548852749230655 und via Twitter: https://twitter.com/RABA_CGN/status/1202859366359146496 veröffentlicht worden.

 


Quellen und Fußnoten

[1] 261 Übergriffe in Berlin meldet die Morgenpost am 02.12.2019 aus der Kriminalitätsstatistik Berlin (Vgl. https://www.morgenpost.de/berlin/article227805551/Berlin-Zahl-der-Uebergriffe-gegen-Homosexuelle-steigt-stark.html). Das Meinungsklima ergibt sich aus den Ergebnissen der bevölkerungsrepräsentativen Umfrage “Einstellungen gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland”, S. 155 (http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Umfragen).

[2] queer.de berichtet über die “Stolz bewegt” – Diskussion um 2010 (vgl. https://www.queer.de/detail.php?article_id=12005)

[3] #Queer.de berichtet über rechtsextreme Unterwanderungsversuche des ColognePride um 2013 (vgl. https://www.queer.de/detail.php?article_id=19440)

[4] vgl. I Cant Relax In Deutschland, das Buch ist abrufbar unter https://issuu.com/unterm-durchschnitt/docs/i-cant-relax-in-deutschland, S. 5 ff.

[5] Alternativer CSD Köln erinnert an die Riots. Hintergründe zu den Stonewall-Riots u.a. bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Stonewall)

 

Redebeitrag auf der Zwischenkundgebung der Demonstration “Kein ruhiges Remagen” am 16. November 2019

Wir stehen dieses Jahr am neuen jüdischen Friedhof in Remagen und es ist so ganz anders als in den vorhergegangenen. Sechs Wochen nach dem neonazistischen, antisemitischen, antifeministischen und rassistischen Anschlag auf die Synagoge Halle. Zwei Menschen wurden dabei ermordet. Es war ein Anschlag nach dem Modell des Norwegischen Rechtsterroristen und Amokläufer Andreas Breivik. Die Polizei unternahm nichts zum Schutz der jüdischen Gemeinde und ihres Gebetshauses.


Nach dem 9. Oktober ging ein Aufschrei durch ganz Deutschland. Aufschreien ist konsequenzlos und Teil von den Stunden der Symbolpolitik. Dann ist von “Empörung” oder “Überraschung” die Rede. So ein Aufschrei sagt ‘lass uns etwas gegen den aufkeimenden Antisemitismus machen!’ Woche für Woche, Monat für Monat. Oft das Gleiche. Mit erhobenem Zeigefinger wird gemahnt, gefordert und gepoltert – am liebsten von den Anderen, gekehrt wird nie vor der eigenen Haustür!

Berlin ist vor kurzem zur Hauptstadt des Antisemitismus gekürt worden. – Und immer wieder heißt es währet den Anfängen! Ich frage euch? Was für ein Anfang?

Wir stehen dieses Jahr am neuen jüdischen Friedhof in Remagen, der im späten 19. Jahrhundert als letzte Ruhestätte für die Jüdische Gemeinde in Remagen angelegt wurde. Der alte jüdische Friedhof in Remagen wird sogar auf das 13. Jahrhundert zurückdatiert. Denn schon seit dem Mittelalter gab es in Remagen jüdisches Leben. Die Gemeinde war von der Judenverfolgungen im Jahr 1298 und in der Pestzeit zwischen 1348 und ’49 betroffen. Um 1400 siedelten durch Schutzbriefe geschützte Judinnen und Juden wieder in Remagen an. Viele wurden zuvor aus der Stadt Köln vertrieben.

1933 gab es schlussendlich nur noch 25 jüdische Einwohner_innen in Remagen. Bis 1940 haben mehrere von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien die Stadt verlassen. Bei dem Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört. Mitglieder der SA zerschlugen die Schaufenster und Auslagen der Geschäfte von Fassbender und Levy. Die Faschisten zerstörten die Wohnungen der Familien Fassbender und Marx. Im April und Juli 1942 wurden die letzten 14 jüdischen Einwohnenden der Stadt deportiert, sie hatten zuletzt in drei sogenannten “Judenhäusern” gelebt. Fast alle von ihnen fanden durch die NS-Gräueltaten ihren Tod.
Nicht einmal 80 Jahre später erfahren wir, wie der Antisemitismus immer noch um sich greift. Weltweit und immer noch in Deutschland. Deutschland, das Land mit der Hauptstadt des Antisemitismus, 2019 – nicht 1933.

Wissenschaftliche Analysen wie die Mittestudie “Deutsche Zustände” haben über ein Jahrzehnt das Fortbestehen antisemitischer Ideologie belegt. Die Übergriffe auf jüdische Menschen und auf das jüdische Leben haben in Deutschland nie aufgehört. Dies alles zeigt schon, dass die sogenannte “Stunde Null” ein Mythos ist! Sie diente wohl eher der deutschen Tätergeneration und ihren Nachfahren zur Beruhigung ihres Schuldgefühls. Alles gut? Mit Nichten!
Es waren Neonazis höchsten Ranges, welche in den Institutionen Deitschlands Karriere machten, nicht die Opfer des Nationalsozialismus! Gibt es mehr zur sogenannten Entnazifizierung zu sagen?

Der Antisemitismus hat kontinuierlich und konstitutiv in Deutschland weiter gewirkt und um sich geschlagen. Unabhängig der politischen Selbstverortung – ob links, rechts oder in der sogenannten ‘Mitte’: Antisemitismus war immer und ist es noch immer: eine Abwehrhaltung gegen die Moderne, eine Absage an die Offenheit, das Kosmopolitische und (wie man heute sagen würde) an die Globalisierung von Ideen.
Laut einer Studie der TU Berlin hat der Antisemitismus im heutigen Zeitalter deutlich zugenommen und hat sich über das Internet so weit verbreitet, wie noch nie zuvor.

Nicht zuletzt deswegen denken viele jüdische Menschen wieder daran, nach Israel auszuwandern, dem vermeintlich letzten Schutzraum für sie. Doch auch Israel scheint zur Zeit nicht Sicher zu sein. Die Israelische Bevölkerung sieht sich immer wieder größeren Raketenangriffen ausgesetzt, fast 200 Raketen pro Tag bedrohen den Schutzstaat. An dieser Stelle möchte ich noch einmal an die Wichtigkeit dieses Staates für alle verfolgten Menschen erinnern.
Und wenn dann bei der großen TV-Show zum Fall der Berliner Mauer am 09. November die Botschaft ‘Schluss mit der Besatzung’ auf Hebräisch über die Fernseher flackert, wissen alle wo Deutschland steht.

Deutschland, einig Täterland!


Jedes Jahr marschieren hier in Remagen ein paar hundert Neonazis auf, um ‘1 Million’ Toter Kriegsgefangener zu Gedenken. In den Rheinwiesenlagern wurden zwischen 8.000 und 40.000 NS-Verbrecher als Kriegsgefangene inhaftiert Es ist gänzlich ausgeschlossen,das dort eine Million Männer gestorben sind,ohne die geringste Spur zu hinterlassen.

Es heißt in Deutschland: Die Geschichte wäre ordentlich durch- und aufgearbeitet worden, so das man wieder unverkrampft Deutsch sein wolle und könne. Man wolle sich endlich auch mal wieder unbeschwert am Nationalismus erfreuen. Die Bundesregierungen (seit Rot/Grün Ende der 90er Jahre) präsentieren sich als Aufsrbeitungsweltmeister und wollen gar anderen, welche nicht aus der Geschichte gelernt hätten, belehren, wie man es richtig mache.
An die Opfer zu erinnern heißt auch, zu der Geschichte des Nationalsozialismus zu stehen und sie nicht vergessen zu machen. Deswegen stehen wir heute hier und nicht diejenigen, die vorgeben aus der Geschichte gelernt zu haben und nur eins durch ihre Abwesenheit belegen: das Vergessenmachenwollen!

Rheinisches Antifaschistisches Bündnis gegen Antisemitismus

Remagen, 16.11.2019

„Mache mal wieder ‘nen Holocaust“ – Kritik am geplanten Kollegah Auftritt in Köln

“Mache wieder mal ‘nen Holocaust“ – Er äußert sich antisemitisch, versieht zusammen mit Farid Bang Ausschwitz-Insassen mit Häme [1], verbreitet Frauenverachtende und rassistische Vergewaltigungsphantasien [2] und verherrlicht insgesamt Gewalt als Mittel von Machtdemonstration und propagiert Maskulinismus und Führertum.[3]

Wäre die Musik des ehemaligen Jura-Studierenden Felix Martin Andreas Matthias Blume anstelle von Rap-Beats mit donnerndem Marsch-Metal unterlegt, wäre unzweifelhaft bereits die „Rechtsrock”-Bremse gezogen worden. Unter dem Pseudonym „Kollegah“ aber gehen Blumes Hassbotschaften als offenbar zulässig durch: Rap müsse nun einmal provozieren, springen ihm Fans, Kritiker_innen und Vertreter_innen der Musik- und Medienwirtschaft helfend bei. Sie öffnen ihm die großen Konzerthäuser und überhäufen ihn mit Auszeichnungen, z.B. mit dem ARD-Preis “Echo”.

Blume sieht und vermarktet sich selbst als eine Art Über-Mensch. Dabei gehören Aufrichtigkeit und Standfestigkeit nicht gerade zu den Eigenschaften des selbsternannten Alphas. Bei Kritik an den menschenfeindlichen Liedtexten versteckt sich Studienabbrecher Blume schnell hinter dem „Kunst“-Begriff und spielt trotziges Nichtverstehenwollen. Blume ernst zu nehmen heißt allerdings, seine Songs und Äußerungen beim Wort zu nehmen. Er spricht seit Jahren dieselbe gruselige Sprache der Erniedrigung und Unterdrückung. Dass Rap mit Empowerment und Erfolg zusammen gehen zeigen das us-amerikanische Ursprungsland dieser Musik. Rap diente seit jeher immer auch als Mittel zur Befreiung von Rassismus, sozialer Ungleichheit und Polizeigewalt und hat auch die maskuline Hegemonie mit einer ganzen Reihe überzeugenden Rapperinnen durchbrochen.[4] Auch die Anfänge von Rap in Deutschland sind von sozialkritischen Bands wie Anarchist Academy oder Microphone Mafia geprägt worden. Doch zunehmend etablierte und festigte sich in Deutschland auch ein patriarchaler Rap, der stumpfe Vorurteile bedient – „wilde Kanaken, stolze Deutsche und überzeichnete Schwarze“[5] – und in dem Rap von sookee bis K.I.Z. keine Selbstverständlichkeit sind.

Selbst wer immer noch meint, “Kollegah” sei eine reine Kunstfigur des sog. Battlerap und bloß von der Kritik missverstanden, kommt an seinen privaten Äußerungen nicht vorbei. In einem Interview, das ausgerechnet am Gedenktag der Pogromnacht am 09.11.2018 auf hiphop.de veröffentlicht wurde, behauptete Blume, dass in den Palästinensergebieten „genau das gleiche passiert, was bei uns mal passiert ist, in Deutschland, nämlich während des Holocausts.“ Weiterhin gab Blume zu Protokoll, als pro Palästina argumentierender Prominenter, habe er lange damit gerechnet, Opfer einer „Hetzkampagne“ zu werden.[6] Die verfolgende Unschuld in Person, Felix Blume, relativiert die Shoa und wähnt sich als Opfer mächtiger Kreise. Mit derartigen Positionen befindet sich Blume jedoch in bester deutscher Gesellschaft. Ganz so nämlich argumentieren deutsche Antisemit_innen diverser Coleur seit Jahrzehnten. Die Effekte sind so simpel wie durchschaubar: Es geht um Entlastung für die deutschen Täter_innen indem ausgerechnet Israel Vernichtungspolitik vorgeworfen wird. Eine vermeintlich mächtige Lobby sorge zudem dafür, dass derartige Positionen vermeintlich schwer rufschädigende Kritik nach sich ziehen würden, wo sie jedoch tatsächlich in weiten Teilen von Kollegahs Fanbase auf Zustimmung stoßen dürften.

Ende 2016 schon erschien zudem ein Video von und mit Blume unter dem Titel „Kollegah in Palästina“. “Der Boss” inszeniert sich in diesem als Macher, der sich für die unterdrückten Palästinenser_innen einzusetzen vorgibt. Der Film ist durchzogen von anti-israelischen Statements [7]. Die israelische Armee könne in Ramallah „machen, was sie wolle“ oder sie „nehmen morgens um 6 Uhr Schulkinder mit“, wird in Blumes Propagandafilm etwa behauptet. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die Texte der “Kunstfigur” Kollegah in einem anderen Licht. Die große Reichweite macht Blume daher zu einem der einflussreichsten und gefährlichen Aggitatoren der deutschen Gegenwart, bei dem die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien die oben zitierte Textzeilevöllig zurecht als antisemitisch einstufte.

Am 12. November möchte Blume im Kölner E-Werk auftreten.
Wir wollen das nicht!

Fussnoten und Quellen
1 “Und wegen mir sind sie beim Auftritt bewaffnet / Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen” (Kollegah & Farid Bang – 0815); im Videoclip zum Song “Apokalypse” stellt er einen Juden als Teufel und als das personifizierte Böse dar.
2 „Diese Syrer vergewaltigen dein Mädel, Bitch! Sie sagt, „Lass mich in Ruhe!“, doch er versteht sie nicht“ „Fuck mich ab und ich ficke deine schwangere Frau Danach fick‘ ich deine Ma, die Flüchtlingsschlampe” (Kollegah & Farid Bang – 0815)
3 „Umwickel’ den Basey mit Stacheldraht / Bitch, wir sind back und die Szene wird akkurat rasiert wie’n Kanakenbart“ (Kollegah & Farid Bang – Ave Maria)
4 z.B. Princess Nokia
5 https://www.deutschlandfunk.de/deutschrap-hip-hop-und-identitaetspolitik.807.de.html?dram:article_id=419519)
6 https://www.bs-anne-frank.de/fileadmin/user_upload/Slider/Presse/PM_Kollegah_Antisemitismus.pdf
7
https://www.fr.de/kultur/musik/antisemitismus-aesthetischer-code-10983011.html

Zur Demonstration “Gegen rechten Terror” am 14.10.

Nach dem Terroranschlag von Halle kommt die antifaschistische Bewegung an einem Umgang mit dem antisemitischen Terrorismus nicht vorbei. Von unserer Kundgebung in Köln ging ein starkes Zeichen der Solidarität zwischen antifaschistischen und zivilgesellschaftlichen Kräften aus zum Schutz der Opfer und Verfolgten des Naziterrors, Antisemitismus und Antifeminismus. Verschiedene Rednerinnen, u.a Vertreter_innen des jüdischen Lebens in Köln, haben auf unserer Kundgebung “Stoppt den antisemitischen Terror” deutlich gemacht, dass sie die geistigen Brandstifter_innen besonders in der AfD und ihrem Netzwerk sehen und dass diese Faschist_innen öffentlich angegangen werden müssen. Insofern begrüßen wir, dass das Aktionsbündnis Köln gegen Rechts mit verschiedenen anderen Gruppen “Gegen rechten Terror” den Protest vor dem offiziellen Büro der AfD in Köln zusammenzieht! [1]

Der Protest gegen den Terrorismus in Deutschland muss jedoch die Tragweite der antisemitischen Dimension klar benennen!

Der Anschlag in Halle vom 9. Oktober steht unzweifelhaft in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Anschlag in Christchurch – in beiden geben die Attentäter die identitäre und antisemitische These vom “Großen Austausch” als Motiv für ihre Taten an. Unzweifelhaft und gezielt sollten möglichst viele Jüdinnen und Juden getötet werden. Der Attentäter von Halle hat sich bewusst für ein antisemitisches Massaker entschieden und den Anschlag wochenlang vorbereitet. Die Ermordungen auf seiner Fluchtroute: eine Passantin am jüdischen Friedhof und ein Gast des kurdischen Imbisses stehen nicht im Widerspruch zum antisemitischen Charakter der Tat. In der Wahnwelt derer, die an die antisemitischen Weltverschwörung glauben, sind „Fremde“ auf jüdisches Geheiß nach Europa gebracht worden und auch hinter dem Feminismus stünde eine „globalistische“, jüdisch dominierte Lobby, welche es auf den „Volkstod“ der deutschen Herrenrasse abgesehen hätte.

Auch der vereitelte Angriff auf die Neue Synagoge in Berlin vom 5. Oktober sollte die jüdische Gemeinschaft treffen und ist Teil des Alahu-Akbar-Grauzonen-Terrorismus islamistisch geprägter Schule.

Deshalb haben wir auch Kritik am Aufruf von Köln gegen Rechts, da der islamistische antisemitische Terrorismus nicht mit einem Wort erwähnt wird.
Diesen Zusammenhang vor dem AfD-Büro stehend nicht zu benennen, relativiert antisemitischen Judenhass in Deutschland, Europa und der Welt! Wir fordern die antifaschistische Bewegung in Deutschland auf, endlich reinen Tisch zu machen und Antisemitismus als ganzheitliches Problem zu erkennen und zu benennen – in der Gesellschaft und auch in den eigenen antifaschistischen Reihen!

Deshalb: Gegen jeden Antisemitismus! Auch vor dem Büro der AfD!

 

Rheinisches Antifaschistisches Bündnis gegen Antisemitismus

Fußnoten:

[1] Aufruf von Köln gegen Rechts u.a.: https://www.facebook.com/events/1072539959620503/

Redebeitrag auf der Kundgebung “Stoppt den antisemitischen Terror und Rassismus” am 10. Oktober in Köln

Gestern an Yom Kippur sind wir einem Massaker auf die Jüdische Gemeinde in Halle nur knapp entronnen. Dennoch mussten zwei Leute bei diesem grausamen, antisemitischen, antifeministischem und rassistisch-nationalistischen Anschlag ihr Leben lassen. Wir sehen den Angriff auf den kurdischen Imbiss als verbindende Klammer der Tat der neonazistischen Ideologie! Rassismus und Antisemitismus gehen für völkische Nationalist_innen oft Hand in Hand.
Viele unter uns sind seit gestern entsetzt ob der hier zu sehenden Gefahrenlage für Jüdinnen und Juden in Deutschland. Doch für viele unter uns birgt das hier Offenbarte die Realität. Übergriffe auf (vermeintlich) jüdische Mitmenschen sind keine Seltenheit und auch Angriffe und Attentate stehen fast schon an der Tagesordnung. Attentate und Angriffe auf Yom Kippur reihen sich geschichtlich ein, erinnert sei an dieser Stelle an das Progrom im Ghetto von Lodz 1940 oder die Angriffe der Arabischen Staaten auf Israel 1973.
Wenn Frau KrampKarrenbauer von einem Alarmsignal redet, dann frage ich mich, wie viele Alarmsignale es noch geben soll? Die Alarmzeichen prägen die gesamte Nachkriegsgeschichte: 70 Jahre lang Hakenkreuze an den Häuserwänden unserer Straßen, geschändete jüdische Friedhöfe, die seit Jahrzehnten wiederholten eindringlichen Appelle betroffener jüdischer Opfer dieser deutschen Strassengewalt, der fortwährende Rassismus und Rechtsterrorismus! Halle ist das Ergebnis aus Jahrzehnten der Ignoranz dieser Alarmsignale. Es gab immer wieder rechtsterroristische Anschläge, etwa die bis heute nicht restlos aufgeklärte Ermordung von von Shlomo Lewin und seiner Lebensgefährtin 1981 oder der Bombenanschlag in Düsseldorf Werhahn im Jahr 2000 – ebenfalls nicht aufgeklärt.
Ein Alarmsignal ist die Politik, für welche die Bundesregierung steht.
Ein Alarmsignal ist diese Bundesregierung, welche die Streichung von Geldern für antifaschistische und antirassistische Projekte wie EXIT und Co. forciert und damit dem um sich schlagenden Faschismus das Wasser trägt.
Ein Alarmsignal ist es wenn Nazis an Rosh Hashanah mit antisemitischen Hetzparolen durch Dortmund und Berlin – von deutschen Polizisten geschützt – marschieren können!
Ein Alarmsignal ist es auch, wenn der IS-Unterstützer Erdogan mit bundesdeutscher Duldung und mit Hilfe deutscher Waffen einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Kurden in Nordsyrien führt und wenn Unterstützer_innen der Terrororganisationen Hisbollah und Hamas als Gesprächspartner_innen für deutsche Politiker_innen gelten.
Der Faschismus schlägt weltweit zu. Bekämpfen wir den Faschismus!
Wenn Bundespräsident Walter Steinmeier vom „Unvorstellbaren“ redet, dann ist nur eines unvorstellbar: Herr Steinmeier, was haben Sie in den letzten Jahren in Deutschland und der EU nicht mitbekommen? Wie viele Morde und Terroranschläge sind noch nötig, bis auch Sie im hier & jetzt ankommen? Die politische Rhetorik vom ständigen Empört-sein und dem nicht Vorstellen-können verfängt nicht mehr in dem Deutschland, in dem rassistische Hetze, antisemitischer Terror und neonazistische Gewalt zur Tagesordnung gehören! Der Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf sagt: „Nach den schlechten Gedanken kommen die schlechten Worte, und denen folgen dann die schlechten Taten.“ Es ist die AfD, die permanent zündelt, ihre Einladung in den demokratischen Diskurs nutzt und den Nährboden für Rechtsterrorismus wie in Halle zu schaffen und wie in Chemnitz Schulter an Schulter unter Faschist_innen marschiert. Der Anschlag folgt auf einen mutmaßlichen, islamistischen Anschlagsversuch in Berlin. Es ist schon lange nicht mehr kurz vor zwölf!
Der rechtsterroristische antisemitischer Anschlag, der sich gestern in Halle ereignet hat und die jüdische Gemeinde schwer getroffen hat, ist ein Angriff auf unsere offene Gesellschaft. Doch wer sagt, dass das ein Angriff auf uns alle ist, verkennt die neonazistische Ideologie dahinter. Denn Rechtsextreme von der AfD bis zu Neonazis von Combat18 haben nicht “uns alle” im Visier, sondern nur diejenigen, welche in ihrer völkischen Ideologie als “Andere” und die vermeintlich “Fremde” gelten. Wir sind nicht alle gleich betroffen. In erster Linie sind es in dieser faschistischen Denke nämlich Jüd_innen, Muslim_innen, Antifaschist_innen, Gewerkschafter_innen, People of Colour, LGBTQ oder Feminist_innen. Nur Fast durch Zufall hat der Täter keine Moschee und kein linkes Zentrum angegriffen.
Wenn selbst Synagogen keine Schutzräume mehr sein können, wo können wir uns noch Sicher fühlen? Max Privorotzki, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, kritisiert die Polizei im Gespräch mit dem JFDA deutlich: Gut 10 Minuten und ein zu langes Telefonat habe es gebraucht, bis die Polizeikräfte eintrafen, nachdem er den bewaffneten Angriff auf die Synagoge meldete. Die Sicherheitssituation für die Jüdinnen und Juden in Sachsen-Anhalt sei katastrophal: Um Schutz müssen sie sich selbst kümmern. Die Sicherheitskraft der jüdischen Gemeinde, welche den Angriff entdeckt hat und die Türen versperrte, hat ehrenamtlich gearbeitet. Auch der ZDJ kritisiert im ARD Brennpunkt den mangelnden Polizeischutz. Er sagt:  Wir haben mehrmals gesprochen, dass wir uns Polizeischutz vor Synagogen und Gemeinden auch in Sachsen-Anhalt wünschen, genau wie in großen Städten: Berlin, München, Frankfurt. Aber uns wurde immer gesagt: Alles ist wunderbar, alles ist super, alles ok.
Der Sicherheitsmann in der Synagoge war Ehrenamtler, das gibt Mut! Denn es gibt Leute, die sich für die Sicherheit der Judinnen und Juden aufopfern. Viele von ihnen stehen jetzt hier mit uns in Köln und mit der jüdischen Gemeinde Schulter an Schulter.
Es erschreckt, dass trotz der Aufstockung der Polizei und den verschärften neuen Polizeigesetzen, die doch angeblich so viel mehr Sicherheit versprechen und das Allheilmittel zur Terrorbekämpfung sein sollten, der Gesellschaft immer wieder und immer mehr solche und ähnliche Taten um die Ohren fliegen. Nichts ist wunderbar. Nichts ist super. Nichts ist ok! Die Gesellschaft versagt als Ganze!
Der Verfassungsschutz schützt Nazis, obwohl er doch eigentlich uns schützen soll! Wenn ein Polizeigewerkschaftler sagt, das man sich neben der Terrorbekämpfung jetzt nich auch noch um den Rechtsextremismus kümmern könne, dann ist das Verhältnis klar. Wir brauchen mehr Schutz und Sicherheit!
Die Stadt Köln plant zurzeit linke, alternative und kulturelle Orte und Projekte aus dem Stadtbild zu entfernen. Die Stadtentwicklung greift mitten in Köln die Schutzräume derjenigen an, die von Antisemitismus, Rassismus oder Sexismus betroffen sind oder den gesellschaftlichen Rechtsruck abwehren wollen. Die Notwendigkeit solcher Räume für uns alle ist durch Halle noch einmal in aller Deutlichkeit zu betonen!
Auch Israel als Schutzstaat gewinnt weiterhin an Wichtigkeit. Jedoch schlägt einem in vielen Kommentarspalten Israelfeindlichkeit entgegen. Die weiterführende Dämonisierung dieses Landes trotz des Anschlages sind zutiefst zu verurteilen! Die vermeintliche Israelkritik ist die populärste Form des Antisemitismus in Deutschland und nicht auf die politische Rechte beschränkt. Die Sicherheit Israels wir auch durch das Handeln der letzten Bundesregierungen, immer wieder unter SPD-Führerschaft im Außenministerium bedroht. Beispielsweise indem durch Verhandlungen die Interessen des Iranischen Regimes gestärkt und durchgesetzt werden sollen. Der Iran möchte Israel auslöschen!
Wenn Polizei und Medien nun beim Halleischen Attentäter nun von einem Einzeltäter sprechen, verkennen sie die grausame und menschenverachtende Ideologie. Alleine eine solche Tat auszuführen heißt nicht, Einzeltäter zu sein. Es gibt Vorlagen wie Christchurch oder Pittsburgh. Es gibt Waffenbeschaffer. Es gibt Baupläne für Waffen in einschlägigen Foren. Es gibt Netzwerke, in denen die mörderische Ideologie verbreitet und sich Gleichgesinnte gegenseitig festigen. Die Geschmacklosigkeit, seine Taten live im Internet zu verbreiten um einen MärtyrerStatus zu erlangen, liegt ganz im Geiste anderer Attentäter wie zb. Anders Behring Breivik.
Doch wir leben nicht vom Hass der anderen gegen die Juden, sondern von unserer Liebe zum Jüdischen!
Der Philosoph Theodor Adorno formulierte seinen kategorischen Imperativ, der heute mehr denn je wieder Beachtung in linker Politik finden muss. Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen. Ich kann nicht verstehen, daß man mit ihr bis heute so wenig sich abgegeben hat. Sie zu begründen hätte etwas Ungeheuerliches angesichts des Ungeheuerlichen, das sich zutrug. Daß man aber die Forderung, und was sie an Fragen aufwirft, so wenig sich bewußt macht, zeigt, daß das Ungeheuerliche nicht in die Menschen eingedrungen ist, Symptom dessen, daß die Möglichkeit der Wiederholung, was den Bewußtseins- und Unbewußtseinsstand der Menschen anlangt, fortbesteht. Es war die Barbarei, gegen die alle Erziehung geht. Man spricht vom drohenden Rückfall in die Barbarei. Aber er droht nicht, sondern Auschwitz war er; Barbarei besteht fort, solange die Bedingungen, die jenen Rückfall zeitigten, wesentlich fortdauern. Das ist das ganze Grauen.
Besonders möchten wir unsere Trauer und unser Mitgefühl um die Getöteten und Verletzten des Anschlags, sowie ihren Angehörigen zum Ausdruck bringen.
Gehalten von RABA auf der Demonstration “Stoppt den antisemitischen Terror und Rassismus” auf der Domplatte in Köln am 10.10.2019

PM: 1000 Menschen versammeln sich nach dem neonazistischen Amoklauf von Halle in Köln

“Es ist uns gemeinsam gelungen, in kürzester Zeit ein starkes Zeichen gegen antisemitischen Terror und Rassismus in Deutschland nach dem Amoklauf von Halle zu setzen. Vor dem Hintergrund des gesamtgesellschaftlichen Versagens bedarf es einer gemeinsamen Kraftanstrengung aus der antifaschistischen Bewegung heraus gemeinsam mit Kräften der Zivilgesellschaft. Es darf dabei nicht bei Reaktionen auf neonazistische Taten im Nachhinein bleiben. Die demokratischen Kräfte in der Gesellschaft müssen durch eine offensive und klar antifaschistische Politik die Neonazis, Rechtspopulist_innen und Antisemit_innen endlich unter Kontrolle und in die Defensive bringen,” fordert Tom Wohlfarth vom Rheinischen Antifaschistischen Bündnis gegen Antisemitismus (RABA).
Um 18 Uhr versammelten sich bis zu 1000 Menschen auf der Kölner Domplatte um den Opfern des antisemitischen Anschlags in Halle zu gedenken. Aufgerufen hatten neben RABA auch die Synagogen-Gemeinde, das Bündnis gegen Antisemitismus Köln (BgA), die Deutsch-Israelischen Gesellschaft AG Köln, die Kölnische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, das Domdechant, das Autonome Zentrum Köln und viele weitere Gruppen aus der Zivilgesellschaft. Alle Redner_innen erklärten untereinander die Solidarität mit den jüdischen Gemeinden in Köln und verliehen ihrer Sorge in ihren Reden Ausdruck aufgrund der gesellschaftlichen Radikalisierungsprozesse zu Gunsten eines antisemitischen, rassistischen und sexistischen Klimas in Deutschland.
Helge David Gilberg von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft forderte mehr Mutbürger und nannte es eine Schande, dass sieben Jahrzehnte nach dem Holocaust jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger berechtigte Angst um Leib und Leben haben müssen. Den nun diskutierten besseren Polizeischutz nannte Gilberg einen Ausdruck eines größeren gesellschaftlichen Versagens, so Gilberg. David Klappheck von der Synagoggen-Gemeinde Köln verlieh der wachsenden Unsicherheit seiner Synagogen-Gemeinde Köln in seiner Rede Ausdruck unter Verweis auf nicht mehr nachvollziehbare Rechtsprechungen, welche wie im Fall von Renate Künast Hass und Hetze nicht mehr ahnden würden. Solidaritätsbekundungen an die Versammlung richteten OB Henriette Reker, Susanna Dos Santos (SPD NRW) und Jan Fischer (Solid).

Die RABA-Rednerin Alina Hofmann kritisierte die Bundesregierung und die Sicherheitsbehörden scharf und betonte das Versagen eines aufgebauschten Sicherheitsapperates, der nichts zur Sicherheit beitrage. „Die politische Rhetorik vom ständigen Empört-sein und dem nicht Vorstellen-können verfängt nicht mehr in dem Deutschland, in dem rassistische Hetze, antisemitischer Terror und neonazistische Gewalt zur Tagesordnung gehören,“ mahnte unsere Rednerin in Richtung Annegret Kramp-Karrenbauer und Frank Walter Steinmeier. Sie kritisierte auch die Stadtentwicklung Kölns, welche alternative Kulturprojekte bedrohe, die zugleich ein Schutzraum darstellten für die von Nazis, Antisemit_innen und Sexist_innen bedrohten Menschen und Gruppen in der Stadt. „Nur fast durch Zufall hat der Täter keine Moschee und kein linkes Zentrum angegriffen,“ so Hofmann.
“Wir bedanken uns für die breite Unterstützung und die zahlreichen Menschen die sich unserer Kundgebung angeschlossen haben. Dem Zeichen der Solidarität müssen nun aber auch Taten folgen. Der Schutz von jüdischen Einrichtungen muss ausgebaut werden. Auf den Staat kann hier nur bedingt Verlass sein, wie die Ereignisse von Halle zeigen. Die jüdischen Einrichtungen brauchen unmittelbare Unterstützung aus der antifaschistischen Bewegung und der Zivilgesellschaft. Alle Formen des Antisemitismus – hier auch vor allem die besonders beliebte Form der “Israelkritik” und des Rassismus bedürfen der rücksichtslosen Kritik! Wie schnell aus Worten mörderische Taten werden können, zeigt der Anschlag von Halle eindrücklich. Die geistigen Brandstifter aus nahezu allen politischen Milieus müssen daher als solche auch benannt und bekämpft werden,” so Wohlfarth weiter
Am Ende der Kundgebung schlossen sich viele Teilnehmende solidarisch der kurdischen Demonstration gegen den völkerrechtswidrigen Krieg in Rojava an.
Köln, den 11. Oktober 2019

PM: Zeichen gegen den antisemitischen Terror und Rassismus – Demo in Köln

“Es gibt eine Kontinuität in Deutschland: der Antisemitismus! Der Antisemitismus und Rassismus sind die verbindende Klammer der neonazistischen Ideologie, welcher der Amokläufer gestern in Halle gefolgt ist. Es ist aus unserer Sicht Vorsicht geboten, wenn sich die ermittelnden Behörden bereits wenige Stunden nach der Attentatsserie und dem verhinderten Massaker auf einen Einzeltäter festlegen. Alleine eine Tat auszuführen heißt nicht, Einzeltäter zu sein. Wir wissen es ausChristchurch und Pittsburgh, wir wissen es aus Kassel und aus der NSU-Mordserie: Hinter dem oder den Terrorist_innen steht ein solidarisches Netzwerk. Es fängt bei den Waffenbeschaffenden an, reicht bis hin zu denjenigen welche die Terrorist_innen ideologisch festigen und schulen und endet bei völkischen, rassistischen oder antisemitischen Politiker_innen in den Parlamenten,” so Pressesprecher Tom Wohlfarth für RABA. “Es ist kein Zufall, dass ein größeres Massaker nur aufgrund des antifaschistischen Selbstschutzes und einem Ehrenamtler der jüdischen Gemeinde in Halle verhindert werden konnte und eben nicht aufgrund der Sicherheitspolitik der Landes- oder Bundesregierung.

Auf die mörderische Allianz vom Terroristen über die AfD bis in das deutsche Wohnzimmer werden wir in unserer Rede heute hinweisen.”

Angekündigte Redebeiträge von:
– Helge David Gilberg (Deutsch-Israelische Gesellschaft DIG)
– Susanne Dos Santos (Deutsch-Israelische-Gesellschaft DIG/SPD)
– Jan Fischer (Solid)
– Stephan Hößl

Angefragt sind darüber weitere Redner_innen und werden nach Bestätigung über unsere Social-Media-Kanäle bekannt gegeben.

Die Meldung bei Facebook unter: https://www.facebook.com/RABAkoeln/posts/504535100329087

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Fußnote
[1] Er scheiterte beim Versuch, in einer Halleischen Synagoge ein Massaker anzurichten wo 54 Menschen das religiöse Fest Yom Kippur feierten. Der Terrorist griff zunächst die Mauern der Synagoge und deren angrenzenden jüdischen Friedhof mit schweren Waffen und Sprengkörpern an, erschoss eine wehrlose Frau auf offener Straße. Anscchließend fuhr weiter zu einem kurdischen Imbiss und erschoss dort einen Gast.

 

Pressemitteilung
Köln, 10.10.2019

Aufruf zur Demo: Stoppt den antisemitischen Terror. Solidarität mit den Jüdinnen und Juden in Halle und überall!

Aufruf zur Demo am 10.10.2019,18 Uhr am Dom/Hbf:

Stoppt den antisemitischen Terror
Solidarität mit den Jüdinnen und Juden in Halle und überall!

Am Mittwoch haben bewaffnete Täter die Synagoge in Halle an der Saale angegriffen. Sie versuchten, mithilfe von Schusswaffen in die Synagoge einzudringen, wo sich etwa 100 Jüdinnen und Juden aus Anlass von Jom Kippur versammelt hatten, dem höchsten jüdischen Feiertag. Ihr Vorhaben misslang nur deshalb, weil sie an den Sicherheitsvorkehrungen im Eingangsbereich scheiterten. Ihr Ziel, Jüdinnen und Juden zu ermorden, stand gleichwohl fest.

Auf dem Weg zur Synagoge erschossen sie mindestens zwei Menschen, ebenfalls mindestens zwei weitere verletzten sie. Die Generalbundesanwaltschaft geht davon aus, dass es sich bei den Tätern um Rechtsextremisten handelt. Unter Polizeischutz stand die Synagoge zum Zeitpunkt des Angriffs offenbar nicht.

Noch einmal: Im Jahr 2019 werden Jüdinnen und Juden in Deutschland am höchsten jüdischen Feiertag angegriffen! Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn es die Täter geschafft hätten, ins Innere der Synagoge vorzudringen.

Bereits am vergangenen Freitag hatte ein offenbar islamistischer Täter versucht, die Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin zu stürmen. Er zückte ein Kampfmesser, rief »Allahu Akbar« und »Fuck Israel!« und bedrohte das Sicherheitspersonal. Die Polizei stoppte ihn. In Haft war er nur kurzzeitig, weil die Staatsanwaltschaft der Ansicht ist, dass der Mann niemanden verletzen, sondern »nur« bedrohen wollte. Gefahr sei nicht in Verzug gewesen, ein Haftgrund liege nicht vor.

Es ist unerträglich, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland um ihr Leben fürchten müssen. Es ist unerträglich, dass sie beleidigt, bedroht und angegriffen werden. Die schönsten Worte nützen nichts, wenn keine Taten folgen. Der Kampf gegen den Antisemitismus muss dringend zu einem solchen werden!

Wir trauern mit den Angehörigen der Ermordeten!
Solidarität mit den Jüdinnen und Juden in Halle und überall!

Stellungnahme vor Bekanntwerden der Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen.

Die Wahlausgänge der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg sind Ausdruck eines kontinuierlichen und konsequent vollzogenen Wandels der deutschen Nation samt seiner autoritären Zuspitzung – auf Bundes- und auf Landesebenen.

Die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen belegen, dass die Residuen der Zivilgesellschaft soweit zurückgedrängt und entmachtet worden sind, das einer von neonazistischen Netzwerken getragenen Partei kein Einhalt mehr geboten wird. Die Wahlergebnisse quantifizieren insofern die Arbeit der demokratischen Parteien als Beiträge zur Stärkung der extremen Rechten und zur Aushöhlung des Antifaschismus in Deutschland. In letzter Konsequenz entwickelte sich hieraus ein Klima, in welchem der #NSU oder #Combat18 aus nachbarschaftlichem Umfeld heraus zu den Morden schreiten konnten.

Das durch die AfD sichtbar gewordene Wahlpotential ist bereits seit Jahren der Politik von CDU und SPD die Steilvorlage. Sie ist auf Neoliberalismus, deutschem Nationalismus und Weltmachtstreben gerichtet. Ob die AfD also letztlich ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger bekommt, ist vor diesem Hintergrund und jenseits der 5-Prozent-Marke unerheblich.

Wie ist es eigentlich möglich, dass öffentlicher Raum geschaffen wird zugunsten der Verschiebung gesellschaftlicher Werte und Normen ins extreme Rechte?

Der „Schutz“ demokratischer Werte und Kultur bestand realpolitisch unter Schwarz/Rot bislang darin, rechtsextreme Parteien in ihrer Radikalität zu überbieten und ihre Forderungen zu erfüllen, beispielsweise das Ausspähen der Privatsphäre, Militarisierung der Polizei, Asylrechtsverschärfung, soziale Spaltung, Einschränkung des Demonstrationsrechts etc. Auch die Personalie Hans-Georg Maaßen verleiht der gescheiterten Politik der CDU ein Gesicht. Als Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz beriet er die AfD strategisch und stritt neonazistische Hetzjagden in Chemnitz ab. Seine sächsischen Kolleg_innen verfolgen, observieren und kriminalisieren zudem sozio-kulturelle Projekte und zivilgesellschaftliche Akteur_innen. Wenn nun ausgerechnet Repräsentant_innen der Regierungen und ihrer Behörden vorgeben, “Demokratie wehrhaft schützen zu wollen“ kommt dies einer Realsatire gleich.

Das Klima aus Missgunst und Angst wurde lange vor dem Aufkommen der AfD zum Florieren gebracht.

Mit allen Mitteln und auf allen Ebenen.

Nie wieder Faschismus!
Nie wieder Deutschland!